Emanzipation im Frauenfußball: Für den unabhängigeren Kick
Die zwölf Bundesligisten loten aus, ob sich die Liga unabhängig von Deutschen Fußball-Bund besser vermarkten lässt. Kann das klappen?
Mehr als 3.000 Karten sind verkauft für das Bundesligaspiel von Eintracht Frankfurt gegen VfL Wolfsburg am Sonntag um 17 Uhr. Gleich drei Sender (ZDF, DAZN und MagentaSport) übertragen die Partie aus dem Stadion am Brentanobad. In den vergangenen Jahren wurde die Partie in der großen Arena am Stadtwald ausgetragen. Diesmal nicht. Das hat finanzielle Gründe: Kommen weniger als 15.000 Zuschauer, ist der Umzug ein Zuschussgeschäft. Allzu viel Geld wollen auch ambitionierte Klubs nicht in einen defizitären Betrieb stecken.
Der Gesamtumsatz der Liga lag 2022/23 bei knapp 25 Millionen Euro. Aber die Erlöse von rund 2 Millionen Euro für jeden der zwölf Erstligisten reichen nicht mal, um die Gehälter zu zahlen. DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich mag ja festhalten, dass „der Frauenfußball wie selbstverständlich zur DNA, zur Philosophie, zum Fußabdruck“ eines Männer-Bundesligavereins gehört, doch irgendwann müsste es auch mal die Aussicht auf eine schwarze Null geben, heißt es aus der Frankfurter Chefetage.
Deshalb wird von Vereinsseite ein eigener Weg beschritten: Die Bundesligisten haben gemeinsam Geld für einen Prüfauftrag in die Hand genommen, der ermitteln soll, wie ein wirtschaftlich tragfähiges Ökosystem aussehen könnte. Dabei wurde dem Vernehmen nach genau jene Agentur (Portas) aus England beauftragt, die auf der Insel die Abspaltung der Women’s Super League vom englischen Verband (FA) begleitet hat.
Auch dem FC Bayern geht es im internationalen Vergleich deutlich zu langsam bei vielen Entwicklungen. „Die Zukunft des Frauenfußballs ist groß. Wie schaffen wir es, mehr Erlöse zu erwirtschaften? Es gibt mehr und andere Möglichkeiten, als aktuell genutzt werden“, sagte Bianca Rech, Direktorin Frauenfußball, zuletzt.
DFB nicht glücklich über Sonderweg
Der Meister befürwortet wie die Mehrzahl der Lizenzvereine neue Erlösmodelle möglicherweise ohne den Verband. Skeptischer ist man beim VfL Wolfsburg. Dessen Fußball GmbH agiert als 100-prozentige Tochter der Volkswagen AG, eines der wichtigsten DFB-Sponsoren. Der Verband soll nicht glücklich über den Sonderweg sein, der in eine eigenständige Vermarktung führen könnte. Ist die mögliche Abspaltung nun bloß Drohgebärde oder bald Realität?
Immerhin: Der Verband ist vom neuesten Vorstoß nicht überrumpelt. „Die Klubs informieren uns auch über die Überlegungen und möglichen Herangehensweisen“, heißt es auf Anfrage. Man habe mit allen zwölf Vereinen „regelmäßigen Kontakt“. Tatsächlich tauscht sich DFB-Geschäftsführer Holger Blask mit Vorstandsbossen wie Jan-Christian Dreesen (Bayern) oder Axel Hellmann (Frankfurt) aus. Blask sieht es explizit als Vorteil an, „dass der gesamte Frauenfußball unter dem Dach des DFB ist“.
Im internen Professionalisierungs- und Wachstumsplan ist für die nächsten zehn Jahre zudem ein Investitionsbedarf von 135,8 Millionen Euro hinterlegt. Unklar ist, woher das Geld kommen soll. Ein Modell wäre eine ausgelagerte Gesellschaft, in der interessierte Partner eine Art Anschubfinanzierung leisten. „Eine vollständige Abspaltung vom DFB strebt unseres Wissens nach niemand an. Es geht um die bestmögliche Aufstellung für den nächsten Entwicklungsschritt“, teilt der DFB mit.
Man verfolge dasselbe Ziel, „die Frauen-Bundesliga zu einem selbsttragenden Wirtschaftssystem zu entwickeln, das sich aus den eigenen Vermarktungserlösen trägt und unabhängig von Quersubventionen aus dem Männerfußball ist“. Wie ein Kompromissangebot klingt dies: „Im Hinblick auf die zukünftige Organisationsstruktur ist eine verstärkte Beteiligung der Klubs in Prüfung.“
Nicht vorstellen kann man sich „ein vom DFB vollkommen entkoppeltes System“. Die Klubs könnten in den nächsten Wochen und Monaten zu einer anderen Schlussfolgerung kommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Plan für Negativ-Emissionen
CO2-Entnahme ganz bald, fest versprochen!
Human Rights Watch zum Krieg in Gaza
Die zweite Zwangsvertreibung