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Gemeinsam gegen rechts

„Vom Anstand des Aufstands: Widerstand und Erinnerung in Polen, Deutschland und Frankreich“. Eindrücke von einem profunden Podiumsgespräch am Montag im Roten Rathaus

Von Katja Kollmann

„Man kann Menschen nicht dazu zwingen, Widerstand zu leisten“, sagt Historiker Fabien Théofilakis und zitiert dabei ein Mitglied der französischen Résistance. Theofilakis sitzt mit seiner polnischen Kollegin Karolina Wigura und Johannes Tuchel von der Gedenkstätte Deutscher Widerstand im Festsaal des Roten Rathauses. Versucht wird – und das ist ein spannendes Novum, initiiert vom deutschen Kulturforum östliches Europa – eine länderübergreifende Annäherung an Widerstand im Zweiten Weltkrieg und das Gedenken danach. Aufhänger und Ideengeber ist der gemeinsame 80. Jahrestag – vom Warschauer Aufstand und der Befreiung von Paris sowie vom Umsturzversuch des 20. Juli 1944.

Peter Oliver Loew, Historiker und profunder Polen-Kenner, wirft den David-Goliath-Vergleich in der Ring, um dann die komplett verschiedenartige Genese von Widerstandsfähigkeit in Polen, Frankreich und Deutschland zu skizzieren. Fakt ist, in Polen wurde widerständiges Handeln seit dem Verlust der Eigenstaatlichkeit im Jahre 1795 immer wieder neu trainiert, sodass während der deutschen Besatzung diese Handlungsmuster reaktiviert werden konnten. In Frankreich ist der Begriff Widerstand eng mit der positiv besetzten Französischen Revolution verknüpft. In Deutschland fehlt ein solcher Moment in der Erinnerung an die Revolutionen der Jahre 1848 und 1918. Dass hier von 1933 bis 1945 der eigene Staat bekämpft wurde und kein Besatzungsregime, ist ein weiteres Puzzleteil beim Vergleich der Quantität von Widerstand in den drei Ländern. „Hätte ich doch auch 200.000 Leute, so wie Sie!“, ruft Johannes Tuchel Fabien Théofilakis zu. „Habe ich aber nicht, und darum ist mir jeder Einzelne, den wir in Deutschland haben, lieb und teuer.“ Im Grunde war es ein Widerstand ohne Volk, bringt es Tuchel auf den Punkt, während in Polen mehr als 500.000 Menschen an Widerstandshandlungen beteiligt waren. Karolina Wagura möchte das statische Helden- beziehungsweise Opfer-Narrativ im polnischen Gedenken aufbrechen, denn „oft treffen sich mehrere Rollen in einer Biografie, zum Beispiel Täter, Held und Zuschauer.“ In Frankreich haben seit einigen Jahren auch Widerstandskämpferinnen ihren Platz im Pantheon bekommen, eine längst fällige Ergänzung zum tradierten Bild vom „heroischen Widerstandskämpfer“.

Die Mehrheit einer Gesellschaft, das sind immer die Zuschauer, ist sich das Podium einig. Interessanterweise gibt „es keine Regel, wer letztendlich Nein sagt und Widerstand leistet“. Aber es gibt für jeden Menschen immer Handlungsoptionen. Widerstand ist nicht erlernbar, auch das ist Konsens auf dem Podium. Es kann aber gelehrt werden, wie sich Unterdrückung in verschiedenen Formen manifestiert. Was können wir tun, fragt sich das Dreiländer-Kurz-Kolloqium, um die 80 Jahre zurückliegende Widerstandserfahrung für die Verteidigung von Freiheit und Demokratie zu reaktivieren? Was tun gegen die Begriffsokkupation des Schlagworts „Widerstand“ (etwa gegen eine angebliche „Coronadiktatur“)? Und: Kann für Gedenken an Widerstand gegen die NS-Diktatur ein proeuropäisches Narrativ geschaffen werden, weit entfernt von Kanon und Homogenisierung? Spannende Fragen, für die es auf dem Podium keine schnellen Patentrezepte gibt, aber einige Ideen. So macht die Darstellung von Ambivalenz in den konkreten Widerstandsbiografien diese resistenter gegen eine politische Instrumentalisierung.

Eine erste Ausfahrt aus der Krise der Erinnerungskultur? Definitiv ein wichtiger Schritt zu ihrer Weiterentwicklung.

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