Podcasterinnen über rechte Romantik: „Mehrere Arten von schlimm“
Trump, christlicher Nationalismus und die Rollenangebote in Romance Novels: Der medienkritische Podcast „Feminist Shelf Control“ gastiert in Hamburg.
taz: Rebekka Endler, Annika Brockschmidt, schlimme Bücher lesen und darüber lachen: Das ist, worum es geht, bei „Feminist Shelf Control“. Oder?
Annika Brockschmidt: Ich würde sagen, so fing es an.
Rebekka Endler: Genau.
Brockschmidt: Und dann haben wir es ausgebaut.
Endler: Bücher sind die Einstiegsdroge gewesen. Mittlerweile berücksichtigen wir ja auch Dokumentationen, Filme, schlimme Popkultur. Weil Bücher zu lesen auch einfach lange dauert.
taz: Lässt sich das positiv definieren? Was muss ein kulturelles Produkt mitbringen, um für so eine Behandlung infrage zu kommen?
Endler: Ich glaube, wir müssen zwischen zwei verschiedenen Arten von schrecklich oder schlimm unterscheiden. Das eine ist, womit wir quasi angefangen haben: die „MAGA Hat Romance“ …
… ein reales Untergenre der Romance Novel mit, nun ja, trumpistischer Ausrichtung.
Endler: Das sich an ein Publikum richtet, das sich nicht überschneiden dürfte mit den Leuten, die uns hören. Also, wäre das ein Venn-Diagramm, gäbe es nichts in der Mitte. Wir werden auch niemanden davon abhalten, diese Bücher zu lesen – das ist einfach so kurios, weil es so abseitig ist. Aber dann auch wieder durchaus ernst zu nehmen.
taz: Inwiefern?
Endler: Als Fenster, als Einstiegspunkt zu diesen Themen in der Schnittmenge einerseits zwischen Faschismus und rechten Ideologien und andererseits Romance-Novel-Tropen. Das ist die eine Art von Sachen. Ich glaube, die andere sind die Bücher … also, als wir beispielsweise „Alte weise Männer“ besprochen haben, bekamen wir sehr viel Feedback, auch von Leuten, die das Buch bei ihren Eltern gesehen haben oder es selbst geschenkt bekommen haben. Da gab es teilweise eine Schnittmenge, und wir haben gerade deswegen gedacht, dass es wichtig ist, da genauer hinzuschauen.
Brockschmidt: Vielleicht können wir mittlerweile sogar sagen, dass es noch eine dritte Kategorie gibt: Dinge, die wir freiwillig ohnehin konsumieren, die aber zudem interessante Fragen aufwerfen über Feminismus und patriarchale Strukturen und Popkultur im Allgemeinen. Sehr großes Feedback kam etwa, als wir neulich die Netflix-Doku über die Dallas-Cowboys-Cheerleader uns angeguckt haben, „America’s Sweethearts“. Das baut einerseits auf auf tatsächlich schlimme Dinge, wie wir sie schon besprochen haben; die helfen zu verstehen, was in der US-amerikanischen Rechten gerade so vor sich geht. Die auch einen Blick in Subkulturen liefern, die man sonst vielleicht nicht so auf dem Schirm hat. Aber gleichzeitig war das auch einfach oben in den Netflix-Charts und irgendwie hat es jeder geguckt, auch wir.
*1992, Historikerin, ist freie Journalistin und Autorin. Letztes Buch: „Die Brandstifter. Wie Extremisten die Republikanische Partei übernahmen“ (Rowohlt).
Endler: Ich habe ja immerhin mal versucht, Cheerleaderin zu werden.
Brockschmidt: Ja, das stimmt. Rebekka könnte da persönliche Einblicke geben … Insofern ist das die dritte Kategorie: Sachen, die wir spannend finden. Da würde ich dann auch so was einordnen wie …
Rebekka Endler*1984, ist Autorin und Journalistin. 2021 veröffentlichte sie „Das Patriarchat der Dinge“ (Dumont).
Endler: … den Barbie-Film …
Brockschmidt: … ja, oder … jetzt fällt mir nur der schlimme deutsche Titel ein: „Flammengeküsst“. Wie hieß das nochmal auf Englisch?
Endler: Das mit den Drachen?
Brockschmidt: Ja, den horny Drachenreitern?
Endler: „Fourth Wing“, das kommt jetzt als Serie, bei Amazon Prime.
Brockschmidt: Ich wundere mich ein bisschen, dass das nicht Apple gekauft hat.
taz: Es gibt da sicher ein ständiges Wettrennen zwischen Prime und Apple um die horny Drachen-Stoffe …
Endler: Die hören „Feminist Shelf Control“, welche Bücher wir besprechen, und entwickeln daraus die Serien.
Brockschmidt: Nochmal zu dieser dritten Kategorie: Sachen, die wir auch selbst ganz gerne lesen oder die uns zumindest unterhalten, berücksichtigen wir ungefähr seit einem Jahr. Da möchten wir auch versuchen zu erklären, was hat es auf sich mit dem Herabschauen seitens des feingeistigen, oft männlich geprägten Feuilletons auf Romance novels, auf populäre Geschichten, die ja vor allem von Frauen konsumiert werden – und mit denen sich wahnsinnig viel Geld verdienen lässt. Warum werden die so von oben herab behandelt?
taz: Ist bei „Feminist Shelf Control“ auch so etwas wie Psychohygiene im Spiel? Ist es auch eine Art Gegenmaßnahme zu Ihrer sonstigen Arbeit, nämlich der seriösen Beschäftigung mit schlimmen Formen von Männlichkeit, dem rechten politischen Rand, Populismus und all solchen Hässlichkeiten? Musste da einfach etwas raus, um das alles ertragen zu können?
Brockschmidt: Das war, glaube ich, sogar unsere origin story, oder?
Endler: Ich glaube, dass es dazu taugt, haben wir erst später gemerkt. Aber die Kurzantwort: Doch, es ist auf jeden Fall Psychohygiene. Ich, für meinen Teil, lerne aber auch ganz viel dazu.
Feminist Shelf Control, „Feuchte Albträume Tour“: Mo, 23. 9., 20 Uhr, Hamburg, Kent-Club
Brockschmidt: Bei fast jedem Thema, ohne dass wir das groß aufteilen müssen, wer macht jetzt was, ist es eigentlich immer so, dass die eine von uns sagt: Hier kommt der Aspekt noch dazu. Insofern bringt es mich dazu, mich mit Aspekten zu beschäftigen, mit denen ich mich nicht auskenne, über die ich vielleicht noch gar nicht nachgedacht habe.
taz: Und wie kam es zum Schritt vom erfolgreichen Podcast auf die Live-Bühne?
Endler: Also, die Wahrheit ist, dass es nach einem Jahr oder so einfach Anfragen gab. Und die andere Wahrheit ist, dass Annika und ich uns äußerst flamboyante Bühnenoutfits zugelegt hatten – und beide gemerkt haben: Also, wenn ich bei der Gleichstellungsbeauftragten in Hilden zu Gast bin in irgendeiner Stadthalle mit grauem Teppichboden: Da kann ich diese Klamotten unmöglich tragen, da komme ich mir deplatziert vor. Also mussten wir dafür einen Anlass schaffen.
taz: Unterscheiden sich Podcast und Bühnenshow?
Endler: Ich würde sagen, der Podcast ist sehr viel intimer. Wir beide mutieren schon ein bisschen zur Rampensau, und dann macht man halt einen Witz, weil man das Publikum auch gut unterhalten möchte. Das ist, wenn wir zu zweit in unserem Stüberl sitzen, zwar auch im Kopf, aber nicht so weit oben auf der Liste. Aber ich würde sagen, es ist ein Ying-und-Yang, wenn wir beides machen können. Es kommen wahnsinnig nette Leute, da ist es sehr nett, die Leute dann auch mal kennenzulernen.
Brockschmidt: Was die dann auch alles mitbringen! Von Essen über Freundschaftsarmbänder bis zu Flyern zu reproduktiven Rechten. Inhaltlich ist es ja immer nochmal was anderes, aber ich glaube, es macht uns beiden wahnsinnig Spaß. Und gleichzeitig sind wir froh drüber, dass wir sowohl den Podcast haben, der ja auch gerne mal viel länger ist als eine Show. Aber dann auch die Möglichkeit, Feedback zu geben.
taz: Hatten Sie je Sorge, dass es da konfrontativ werden könnte, weil sich plötzlich, weiß nicht, der Männerrechteverein Wipperfürth einfindet, auf Krawall gebürstet?
Brockschmidt: Ich glaube, die kommen eher zu unseren jeweiligen Einzelveranstaltungen. Bisher war es wirklich extrem friedlich – was nicht bei allen regulären Veranstaltungen der Fall ist.
Endler: Den Mann will ich erst mal sehen, der so viel Geld ausgibt, um jetzt zu unserer Tour zu kommen und uns dann anzupöbeln. Ganz ehrlich, dann soll er ruhig kommen – wenn er sich eine Eintrittskarte kauft.
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