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Weltklimagipfel in Baku im NovemberWillkommene Weltbühne

Aserbaidschan will mit der kommenden COP29 vom Konflikt mit Armenien ablenken. In der Kri­ti­k auch: die Menschenrechtsverletzungen Bakus.

Baku, Aserbaidschan, Blick über die Dächer der Bibi Heybat Mosche auf Ölbohrtürme Foto: Mikhail Metzel/ap

In rund acht Wochen startet die 29. UN-Klimakonferenz in Aserbaidschans Hauptstadt Baku. Für die einstige Sowjetrepublik im Südkaukasus ist es eine Chance, sich auf internationaler Bühne zu profilieren. Die Herausforderungen für die COP29 könnten größer kaum sein: Im Fokus stehen Gespräche um Klimahilfen in Billionenhöhe. Die fast 200 Staaten sollen sich auf einen neuen finanziellen Rahmen für die Zeit nach 2025 einigen, um Gelder für den globalen Süden einzusammeln, der massiv unter der Klimakrise leidet.

Das bisherige Ziel von 100 Milliarden US-Dollar jährlich an Klimafinanzierung, das noch bis 2025 gilt, reicht für die tatsächlichen Bedarfe längst nicht mehr aus. Doch die Chancen stehen schlecht – besonders, weil das Vortreffen in Bonn im Sommer weitgehend ergebnislos verlief. Die Industriestaaten scheuen sich, verbindliche finanzielle Zusagen zu machen. Nicht nur in Deutschland ist die Haushaltslage angespannt.

In Baku geht es auch darum, den beim vergangenen Klimagipfel in Dubai beschlossenen Ausstieg aus den fossilen Energien zu konkretisieren. Aserbaidschan steht wegen seiner fossilen Brennstoffindustrie in der Kritik. Öl- und Gasexporte machen rund 90 Prozent der aserbaidschanischen Ausfuhren und 60 Prozent des Staatshaushalts aus.

Im Juli wurde bekannt, dass die COP29-Präsidentschaft neue fossile Projekte mit dem Pariser Klimaabkommen für vereinbar hält. Daneben kündigt die Präsidentschaft einen „COP Truce Appeal“ an, der zu einem globalen Waffenstillstand während des Gipfels aufruft – wohl auch in eigener Sache, denn das Treffen wird vom Dauerkonflikt in der eigenen Region überschattet, den Aserbaidschans Präsident Alijew hofft, mit einem für ihn günstigen Friedensdeal zu beenden.

„COP des Friedens“?

Ob es zu Konferenzbeginn ein Friedensabkommen geben wird, ist allerdings unklar. Armenien hatte ein Veto gegen Baku als COP-Schauplatz eingelegt, das aber wieder zurückgezogen. Zwar verspricht Hikmet Hajijew, außenpolitischer Berater von Alijew, eine „COP des Friedens“. Einige Klima- und Men­schen­rechts­ak­ti­-vis­t*in­nen rufen aber zum Konferenzboykott auf.

Es ist bereits der dritte Klimagipfel in Folge, den ein autoritärer Staat ausrichtet: Nach Ägypten 2022 und den Vereinigten Arabischen Emiraten 2023 geht auch Aserbaidschan rigoros gegen Oppositionelle und Medien vor. Bei der Pressefreiheit belegt das Land im Ranking von Reporter ohne Grenzen Platz 164 von 180 Staaten. Der Status als UN-Konferenz bietet Medienschaffenden zwar einen gewissen Schutz.

Medien müssten während des Klimagipfels aber uneingeschränkt Zugang erhalten, um eine freie Berichterstattung zu gewährleisten, teilte Peter Stano, EU-Sprecher für Außen- und Sicherheitspolitik der taz auf Anfrage mit. Die EU fordert grundsätzlich, dass Aserbaidschan die Pressefreiheit respektiert und inhaftierte Jour­na­lis­t*in­nen freilässt. Sanktionen gegen das Land wegen Menschenrechtsverstößen bestehen demnach aber nicht.

Europa ist auch auf Aserbaidschan angewiesen: Die EU-Staaten beziehen seit 2021 immer mehr fossile Energie aus dem Kaukasus. Im ersten Quartal 2024 lag Aserbaidschans Anteil an den europäischen Gasimporten bei 7,7 Prozent, beim Öl waren es 3,4 Prozent. Eine 2022 geschlossene Energiepartnerschaft zwischen der EU und Aserbaidschan zielt darauf ab, die Gasmenge aus Aserbaidschan bis 2027 auf bis zu 20 Milliarden Kubikmeter pro Jahr zu verdoppeln, um russische Gaslieferungen wegen des Ukrainekriegs zu ersetzen. Besonders brisant: Aserbaidschan kann die geplante Gasmenge selbst gar nicht liefern. Das Land importiert daher auch Gas aus Russland, das in die EU weitergeleitet wird.

Gasabkommen mit Aserbaidschan aussetzen

Kri­ti­ke­r*in­nen bemängeln, dass die EU so Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan unterstützt. Das EU-Parlament forderte ein ausgesetztes Gasabkommen und Sanktionen gegen hochrangige Beamte, die bisher ausblieben. Und der politische Analyst Tigran Grigoryan warnt, dass Aserbaidschan fossile Rohstoffe nutze, um Einfluss im Westen zu gewinnen.

Auch wenn der Anteil insgesamt nicht hoch sei, wären Länder wie Italien, Ungarn, Rumänien und Bulgarien stark auf aserbaidschanisches Gas angewiesen, kritisiert er. Sie blockierten oft EU-Maßnahmen für Armenien – zuletzt etwa Ungarn die Teilnahme Armeniens an der Europäischen Friedensfazilität, ein Finanzierungsinstrument, mit dem die EU zur internationalen Sicherheit beitragen will.

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2 Kommentare

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  • Perfide wie immer.

  • Die angebliche "Cop des Friedens" ist nichts als ein PR-Gag. Aserbaidschan hat seine aggressiven Ansprüche auf den sog. Sangesur-Korridor und damit auf völkerrechtlich zu Armenien gehörendes Gebiet zuletzt sogar noch verschärft. Nichts deutet dort derzeit auf eine Entspannung oder gar ein Friedensabkommen hin. Wenn Alijew wirklich ein solches Abkommen hätte haben wollen, hätte er das zu seinen Konditionen schon längst haben können. Dass der Westen ihn für dieses aggressive Vorgehen nicht kritisiert, sondern im Gegenteil noch hofiert, wird er als Ermutigung ansehen, so weiterzumachen.