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Armenien-Konferenz in Istanbul geplatzt

Nach scharfer Kritik der türkischen Regierung sagt Istanbuler Bosporus-Universität das Treffen kurzfristig ab

ISTANBUL taz ■ Es hatte ein Signal werden sollen. Drei Tage wollten Historiker und Sozialwissenschafter dreier Istanbuler Universitäten mit Kollegen aus dem Ausland über die Situation der Armenier im ausgehenden Osmanischen Reich diskutieren. Eingeladen waren die Kritiker der offiziellen türkischen Haltung zum Genozid an der armenischen Bevölkerung, um zu zeigen, dass es viele Wissenschaftler in der Türkei gibt, die anders denken, wie ein Veranstalter sagte.

Doch dieses Signal wird es jetzt nicht geben. Im letzter Sekunde sagte die Leitung der Bosporus-Universität das Treffen ab. Vorausgegangen war eine Kritik der staatsoffiziellen Historikerzunft. Professor Yusuf Halacoglu, Chef der türkischen Historikervereinigung, beschwerte sich, dass er nicht eingeladen worden war. Andere kündigten an, ihre Zusage zurückzuziehen, nachdem sie in der Zeitung gelesen hatten, die Veranstaltung solle dazu dienen, die Stimme gegen die offizielle Geschichtsschreibung zu erheben.

Ausschlaggebend für die Entscheidung der Bosporus-Universität war eine Stellungnahme von Justizminister Cemil Cicek, der am Tag vor dem geplanten Konferenzbeginn erklärte: „Diese Konferenz ist ein Dolchstoß in den Rücken der türkischen Nation, die nur der armenischen Diaspora in die Hände arbeitet.“

Mit seinem Einspruch dokumentierte Cicek als Regierungssprecher erneut, wie wenig die offizielle Türkei bislang zu einem offenen Dialog bereit ist. Schon auf dem Gipfeltreffen des Europarates in Warschau vor zehn Tagen war es zu einem Eklat gekommen, als Armeniens Präsident Robert Kotscharian die Konferenzteilnehmer aufgefordert hatte, den Völkermord an den Armeniern anzuerkennen. Der türkische Premier Tayyip Erdogan war so erbost, dass ein angepeiltes Treffen mit Kotscharian nicht mehr zustande kam.

JÜRGEN GOTTSCHLICH

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