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Teenager als eiskalte Mörder

Mit hohen Haftstrafen für Minderjährige will Schweden die Bandengewalt eindämmen

Von Härnosänd Anne Diekhoff

Der Dreifachmord schockierte Schweden im vergangenen Oktober, am Mittwoch fiel das Urteil am Bezirksgericht Södertörn bei Stockholm. Der 17-jährige Schütze muss für zwölf Jahre ins Gefängnis, der 16-Jährige, der ihn beauftragt hat, für zehn Jahre. Zwei weitere junge Menschen wurden wegen Beihilfe verurteilt. Es ist das bislang höchste Strafmaß für Minderjährige in Schweden.

Der Schütze, damals 16 Jahre alt, war nachts in ein Einfamilienhaus im Stockholmer Vorort Västberga eingebrochen. Er erschoss den 40-jährigen Mann, der dort mit Frau und zwei Kindern lebte. Die Frau hielt ihre Tochter auf dem Schoß, auch auf sie schoss der Täter, beide überlebten. In der Nacht darauf erschoss er eine 20-jährige und eine 60-jährige Frau in einem Einfamilienhaus bei Stockholm. „Die Taten stellen sich als unerhört brutal und außerordentlich rücksichtslos dar“, sagte die Vorsitzende Richterin Sofia Jungstedt laut Pressemitteilung.

Anders als in früheren Mordfällen im Bandenmilieu sahen die Ermittler bei den Opfern keine Verbindung zum organisierten Verbrechen, außer dass ein Angehöriger der beiden Getöteten mit einem bekannten Kriminellen verwandt sei. Viele Jahre hatte es als Beruhigung für die schwedische Allgemeinheit gegolten, dass die Mordopfer von Gangkriminellen ausschließlich Mitglieder konkurrierender Banden seien.

Staatsanwältin Helena Nordstrand geht davon aus, dass der Mordauftrag ursprünglich von weiter oben in der Gang-Hierarchie kam, mutmaßlich aus dem Ausland. Von wem, bleibt unbekannt. Das sei „natürlich unzufriedenstellend“, sagte sie dem Svenska Dagbladet.

Der Auftraggeber wurde, seit er 13 war, vom Sozialdienst betreut. Er galt der Polizei damals schon als Handlanger für Schwerkriminelle. Er und der spätere Mörder kannten sich aus dem Heim, in dem sie untergebracht waren und aus dem sie gemeinsam abhauten. Wegen Beihilfe zum Dreifachmord wurden ein 22-Jähriger zu 16 Jahren Gefängnis und eine 16-Jährige zu zwei Jahren und zwei Monaten in einer geschlossenen Jugendeinrichtung verurteilt. Das Mädchen hat dem Urteil zufolge unter anderem die Mordwaffe abgeholt und transportiert.

Laut früheren Berichten ging der verurteilte Auftraggeber davon aus, dass er zu vier bis fünf Jahren in einer geschlossenen Einrichtung verurteilt werden würde. Solche Strafmaße galten als ein Grund, warum Schwedens Schwerkriminelle immer jüngere Menschen zu Auftragsmördern machten. Dieses Urteil fiel nun aber anders aus: „Das Gericht sieht besondere Gründe, beide trotz ihres jungen Alters zu Gefängnisstrafen statt geschlossener Jugendeinrichtung zu verurteilen“, so Richterin Jungstedt.

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