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Haushaltsfinale im BundestagLuftig und waghalsig

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Der neue Haushalt steht auf wackeligen Füßen. Er ist ein Symptom dessen, dass es wenig Verbindendes zwischen den Ampelparteien gibt.

Am Kanzler vorbei und doch loyal: Finanzminister Lindner Foto: Annegret Hilse/reuters

D er Bundestag wird sehr lebendige Debatten erleben in dieser und den kommenden Wochen. Mit ihrem Plan für den Bundeshaushalt 2025 und den Nachtragsetat 2024 gibt die Regierung aus SPD, Grünen und FDP allen Anlass dafür. Ihr Entwurf ist außergewöhnlich luftig und waghalsig, um es vorsichtig zu formulieren.

Man kann sich fragen, wie realistisch viele Posten eigentlich sind. Andererseits legt die angeblich so zerstrittene Koalition eine erstaunliche Kompromissfähigkeit an den Tag. Wie die Opposition kritisiert, strotzt der Entwurf für das Budget 2025 tatsächlich vor tiefen Löchern, die im kommenden Jahr irgendwie gefüllt werden müssen.

Das relativ größte steht im Plan des Klima- und Transformationsfonds, der den Grünen so wichtig ist. Der nicht finanzierte Fehlbetrag dort beträgt 12 von 36 Milliarden Euro – ein stolzes Drittel. Die Regierung sagt zur Erklärung, das Geld aus Förderprogrammen für die energetische Sanierung von Gebäuden würde ohnehin nie komplett abgerufen. Wenn das jedoch für ein ganzes Drittel gilt, hofft die Regierung beinahe auf ihr eigenes inhaltliches Scheitern.

Die Koalition muss auch aufpassen, sich nicht noch eine erfolgreiche Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wegen des Missbrauchs älterer, eigentlich zweckgebundener Corona-Kredite für neue Aufgaben einzufangen. FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner argumentiert zwar, die Umwidmung sei sicher. Doch die Union reibt sich bereits die Hände.

Ursache all dessen: Die drei Parteien können sich auf keine kohärente Finanzpolitik einigen. Ihre Vorstellungen sind einfach zu unterschiedlich. Deshalb fehlen große Summen, um die auseinanderstrebenden Wünsche zu bedienen. In dieser Misere allerdings befleißigt sich die Regierung eines übergroßen Pragmatismus. Zum Beispiel treibt sie die Neuverschuldung mit allen möglichen Kniffen so hoch, dass sie weit über dem liegt, was die Schuldenbremse offiziell erlaubt. Da erübrigt sich die Debatte über deren Reform eigentlich schon – es geht ja auch so.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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11 Kommentare

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  • Danke für diese Einblicke, die sicher, wie üblich, zutreffen.



    Allerdings halte ich die Schuldenbremse in der derzeitigen Ausgestaltung auch für eine Entwicklungsbremse.



    Deren Umgehung, um doch einige Projekte fördern zu können, also für zielführend.



    Die CDU hatte mit der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg. Ein Erfolg gegen die wirtschaftliche Flaute war es nicht Ein Erfolg für die Betriebe, deren Interessen die CDU angeblich vertritt, war es ebenfalls nicht.



    Die CDU/CSU hat in 16 Jahren Wirtschafts- und Verkehrsministerium viele Entwicklungen und Investitionen verschlafen, die die Ampel aufarbeiten muss.



    Merz verhinderte dies durch die Klage. Das war nicht im Interesse Deutschlands, sondern bloßes Eigeninteresse.



    Ja, die Ampel ist eine schwierige Koalition. Doch sie wurde gewählt und ist Resultat der politischen Entwicklungen. Die Koalitionen, die sich in den ostdeutschen Bundesländern abzeichnen, werden wohl noch deutlich wackliger .



    Wo schlummert eine konstruktive Alternative?



    Merz steht mit seiner wirtschaftlichdn Kurzsichtigkeit für einen Rückschritt, der Deutschland als Industriestandort bedroht, siehe z.B.: " Zurück zum Verbrenner '.

  • Na klar geht es auch so.



    Der Staat könnte Ausgaben tätigen, ohne dabei auf die Einnahmen zu schauen, denn er ist der Schöpfer seiner Währung und tätigt seine Zahlungen über ein Konto bei seiner eigenen Zentralbank.



    Eine natürliche Grenze für mehr Staatsausgaben findet sich lediglich bei einer möglichen Überlastung der Wirtschaft, also Vollbeschäftigung. Davon sind wir aber leider weit entfernt.



    (Such-Empfehlung: Dirk Ehnts, Maurice Höfgen)

    • @Wolfgang Amadeus:

      Hat sowas schon einmal funktioniert?



      Siehe auch: de.wikipedia.org/wiki/Assignaten

      • @sollndas:

        Es funktioniert schon die ganze Zeit, seit es Fiatgeld gibt.

        • @Wolfgang Amadeus:

          Mit Erfolgen wie z.B. in Argentinien, wenn der Staat "Ausgaben tätigt, ohne auf seine Einnahmen zu schauen".

          • @sollndas:

            Das sind Schulden in Fremdwährung, das verhält sich komplett anders :-)

            • @Wolfgang Amadeus:

              In Fremdwährung, weil die eigene Währung niemand mehr haben wollte :-)

              • @sollndas:

                Inflation kann viele Ursachen haben, meistens eine Verknappung des Angebots. Eine höhere Nachfrage durch höhere Geldmenge ist in aller Regel nur scheinbar eine Ursache, in Wahrheit aber ein Symptom.

                • @Wolfgang Amadeus:

                  Was tut ein Anbieter, wenn er merkt, dass die Nachfrage steigt?



                  Als erstes tut er das, was (a) für ihn am einfachsten geht und (b) ihm auf die Schnelle den meisten Abstandshalter zwischen Daumen und Zeigefinger beschert: Er wechselt die Preisschildchen aus (geht heute in den meisten Supermärkten mit Mausklick, an Tankstellen sowieso).



                  Bevor sich die Nachfrage teilweise (!) in Produktion (=Wertschöpfung) umsetzt, ist die Geldentwertung (=Inflation) schon da....

                  • @sollndas:

                    Wenn alle gleichzeitig die Preise im selben Maß erhöhen würden , wäre das eine Preisabsprache und ein Fall fürs Kartellamt.



                    Aber im Normalfall sind Konkurrenzkampf und Preisdruck stärker. Außerdem kann ein Staat genauso auf das Preis-Leistungs-Verhältnis schauen wie die anderen Verbraucher.



                    Und für 100 Prozent Förderungen gibt es einen Trick: der Staat verlangt z.B. vom Hauseigentümer, dass der sich für eine Klimaschutzmaßnahme -- z.B. eine Dachbegrünung mit vertikalen PV-Modulen -- mindestens 3 Angebote von verschiedenen Betrieben einholen muss und erstattet ihm den Preis für das teuerste Angebot. So besteht ein Anreiz für den Eigentümer, ein möglichst günstiges Angebot anzunehmen :-)

  • "Das relativ größte steht im Plan des Klima- und Transformationsfonds, der den Grünen so wichtig ist. Der nicht finanzierte Fehlbetrag dort beträgt 12 von 36 Milliarden Euro – ein stolzes Drittel."



    Wenn die Grünen sich auf Wärmedämmung konzentrieren würden statt unsinnige Wärmepumpen zu fördern, wäre der Fehlbetrag schon kleiner.



    Unsinnig wegen Folgekosten, die noch garnicht berücksichtigt sind: Verteilnetzausbau, Bedarf an Speichern und Schattenkraftwerken, Abschreibung der Gasnetze. Die unweigerlich zu weiteren Fehlbeträgen in den kommenden Jahren führen müssen.



    Geld, das in Wärmepumpen reingesteckt wird, steht für Energieeinsparungen nicht mehr zur Verfügung.