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Fehlende Post-FilialenSchlechter geht's eh nicht

Uli Hannemann
Kommentar von Uli Hannemann

Die Post schafft es nicht, die Aufgabe zu erledigen, für die sie gegründet wurde. Aber das ist eigentlich schon egal.

Wie bestellt und nicht abgeholt: Zwei Briefkästen in Rheinland-Pfalz Foto: Andreas Muhs/Ostkreuz

#x201E;Traritrara, die Post ist nicht da“ – diesen Schlachtruf des Mangels vernimmt man mittlerweile an 141 „Pflichtstandorten“ in Deutschland. Ein solcher Standort ist gesetzlich vorgeschrieben: Ab einer bestimmten Einwohnerzahl muss ein Ort über eine Postfiliale verfügen. Doch laut Bundesnetzagentur ist diese Grundversorgung auf dem platten Land oft nicht mehr gewährleistet. Die Bahnstrecke ist stillgelegt, die Bäckerei hat dichtgemacht, der Bus kommt zweimal am Tag, wenn er denn Bock hat. Wer kann, türmt in wenigstens halbwegs besiedeltes Gebiet. Brain Drain, Girl Drain, Mail Drain.

Verlässlich war mindestens die Hälfte der Schalter unbesetzt und die Schlange der Wartenden wickelte sich bis nach draußen und dreimal um den Block. Die Be­am­t:in­nen waren sehr gewissenhaft und vor allem sehr, sehr langsam

Dabei ist der Begriff „Postfiliale“ ohnehin schon stark verwässert. Das gute alte Postamt, backsteinernes Bollwerk der analogen Kommunikation, ist bereits länger tot. Die Deutsche Post, einst uralter Markenname und Gütesiegel wie „Deutsche Wehrmacht“, hat erst wie Raider in Twix ihren Namen in DHL geändert, um angeblich pfiffiger zu klingen. Diese DHL entschied dann wiederum, den Kun­d:in­nen reinen Wein einzuschenken: „Wir machen zu! Haut ab! Wir nehmen euch nicht ernst und eigentlich haben wir euch schon immer gehasst – geht doch stattdessen in den Späti.“

Seitdem geht man statt in eine „Postfiliale“, wie der Notbehelf offiziell noch immer so falsch wie großkotzig heißt, nunmehr in einen dafür eigens qualifizierten und vom Postbischof persönlich geweihten Headshop oder Hundefutterladen, um dort das Päckchen abzuholen, an dem wir alle zu tragen haben. Häufig ist es auch ein wackerer Späti, der sich dankenswerterweise bereiterklärt hat, die Postaufgaben zu übernehmen:

Guckstu Einschreiben und so. Nicht selten überkommen den Zecher auf der Bank vorm Spätverkauf nach dem vierten Sterni nostalgische Gelüste, einen handschriftlichen Brief zu verfassen. Einen Liebesbrief. So wie früher. Die Angebetete ahnt noch nichts von ihrem Glück, denn sie kennt mich (noch) nicht. Umso größer wird die Freude sein.

Zwischen Leben und Tod

Marke drauf und ab. Genau genommen kann so eine Fake-Post also fast noch mehr als eine echte Postfiliale. Dort kauerten meist traurigernste Halbwesen in dunkelblauen Uniformpullovern, der Teint blass und irgendwie teigig, die immer den Eindruck machten, sich in einer Zwischenwelt zwischen Leben und Tod, Koma, Schlaf, Wachzustand und Traum (für die Kun­d:in­nen­sei­te oft auch Alptraum) zu befinden. Verlässlich war mindestens die Hälfte der Schalter unbesetzt (Krankheit, Mittagspause, Unpässlichkeit, Rauchpause, Stuhlpause), und die Schlange der Wartenden wickelte sich bis nach draußen und dreimal um den Block.

Die Be­am­t:in­nen waren sehr gewissenhaft und vor allem sehr, sehr langsam. Bezeichnenderweise sitzen im Disney-Film „Zootopia“ bei einer Szene in einem Amt Faultiere hinter dem Schalter und nerven mit ihren kaum wahrnehmbaren Zeitlupenbewegungen die Heldin, sprich das Polizeikaninchen, schier zu Tode, weil sie nicht zu Potte kommen.

Bei „Trustpilot“ kommt die Deutsche Post entsprechend auf ein „Ungenügend“, im Schnitt 1,4 Sterne bei über fünftausend Bewertungen. Nur mal zum Vergleich: In der Kategorie „Backwaren & Desserts““ hat „meinetorte.de“ einen „TrustScore“ von 4,5. Das hat zwar nichts miteinander zu tun; wir führen es hier dennoch an, um einerseits zu zeigen, was mit ein wenig gutem Willen möglich wäre, und andererseits den Lesenden die eventuell ungeläufige Plattform „Trustpilot“ näher zu bringen.

Unter diesem Gesichtspunkt war die Aufgabe sämtlicher Filialen nur konsequent. Ein ehrenvolles Harakiri, das Schwert ins eigene Herz gestoßen und zweimal umgedreht. „Unsere Freunde vom Kreuzberger Späti ‚Schluck in der Kurve‘ können es kaum schlechter machen“: Darin liegt ein superfaires Eingeständnis. Die Größe, das eigene Vollversagen derart umfänglich öffentlich anzuerkennen, haben nicht viele.

Das Postamt wie der Telefgraf

Und so könnte im Grunde alles gut sein. Das frühere Postamt ist nur noch ein Kommunikationsrelikt wie der Telegraf, das Faxgerät oder gar das Festnetztelefon, das, so weit überhaupt noch vorhanden, heutzutage nur noch zur Suche des eigenen, mal wieder unter Bergen von Shit verbuddelten, Mobiltelefons eingesetzt wird.

Die Fenster sind zerbrochen, im Vorraum riecht es nach Urin. Im ehemaligen Paketraum nisten Fledermäuse zwischen den Spinnweben. Manchmal wurde auch der Schalter zum Bartresen umfunktioniert und das ganze Amt ist jetzt ein Technoclub.

Allerdings wohnen nun mal nicht alle in der Stadt. Auf dem Land aber, gerade da, wo der letzte Kramladen zumacht, der dort die Rolle des Post-Spätis in der Stadt einnahm, verschwindet auch noch dieser Notbehelf. Das ist, wie erwähnt, ungesetzlich. Doch nach dem neuen Postgesetz dürfte ab 2025 ein Ersatz durch sogenannte Poststationen möglich werden. Diese Automaten sprechen zwar nicht mit den Kunden und verkaufen auch kein Bier und keine Kippen. Doch dafür sind sie immerhin schneller als die Be­am­t:in­nen alter Schule.

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Uli Hannemann
Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.