Brand in Londoner Hochhaus: Lektion aus dem Grenfell-Tower
Ein Hochhaus brennt, die Evakuierung verläuft gut, Tote gibt es nicht. Ganz anders als bei dem verheerenden Brand von 2017.
London taz | Gut sieben Jahre nach dem verheerenden Inferno vom Grenfell Tower, bei dem am 14. Juni 2017 72 Menschen umkamen, stand am Montag in London erneut ein Hochhaus lichterloh in Flammen. Der Großbrand hat viele Fragen aufgeworfen, denn spätestens seit Grenfell sind die Risiken mit solchen Häusern bekannt.
„Spectrum House“, ein großes Wohnhaus mit 60 Wohneinheiten in Dagenham am Londoner Ostrand, brannte am frühen Montag. Binnen weniger Minuten waren über 225 Einsatzkräfte der Feuerwehr herbeigeeilt, die Bewohner:innen wurden sofort evakuiert und das Feuer erfolgreich bekämpft. Alles gutgegangen also.
Beim Grenfell Tower hatte die Feuerwehr den Menschen nach Brandausbruch stundenlang geraten, in ihren Wohnungen zu bleiben – ein fataler Fehler, der zur ungewöhnlich hohen Opferzahl geführt hatte. Diesmal konnten über 80 Personen, darunter junge Familien, evakuiert werden, nur zwei Personen benötigten weitere Behandlung in einem Krankenhaus.
Am 4. September wird der Abschlussbericht der öffentlichen Grenfell-Tower-Untersuchung erwartet
Noch ist nicht klar, was der Brandauslöser war. Bekannt war jedoch, das wussten auch die Einsatzkräfte, dass dem Wohnhaus verschiedene Brandrisikofaktoren zugeschrieben wurden. So bestand die Außenfassade zum Teil aus brennbarem Material. Außerdem stand ein Baugerüst um das Haus, da eine Firma gerade die brennbaren Teile der Außenfassade in den Dachetagen austauschte.
Intitiative um brennbare Dämmamterialien zu entfernen
Nach dem Grenfell-Inferno hatte die britische Regierung Milliardenbeträge bereitgestellt, um brennbare Außenfassaden und Dämmungsmaterialien von Hochhäusern zu entfernen. Doch vielerorts kam es zu langen Verzögerungen, etwa aufgrund unklarer Zuständigkeiten – wer in einem Hochhaus eine Wohnung besitzt, besitzt damit nicht das Hochhausgrundstück selbst.
Dies scheint bei Spectrum House ebenso der Fall zu sein. Lange wurde darüber gestritten, wer in solchen Fällen für die kostspielige Sanierung verantwortlich ist. Die britische Regierung stellte schließlich weitere Fonds zur Verfügung und wies die Grundbesitzer an, die Kosten zu tragen.
Die Sanierungen werden nun, das Grenfell-Tower-Inferno ist noch in schlechter Erinnerung, monatlich von der Regierung überprüft. Laut dem letzten Regierungsbericht gab es Ende Juli insgesamt noch 4.630 bewohnte britische Häuser mit einer Höhe von über elf Metern mit brennbaren Außenfassaden inklusive Dämmungsmaterial. Bei der Hälfte davon hätten Sanierungen jedoch begonnen oder seien im Fall von 1.350 Häusern abgeschlossen.
Der Verantwortliche der Londoner Labour-Stadtregierung für Wohnungspolitik, Tim Copley, gab im Juni an, dass generell solche Sanierungsarbeiten viel zu lange dauerten. Somit stellt sich die Frage, ob Spectrum House früher hätte saniert werden können und dann nicht gebrannt hätte. Am 4. September wird in London der Abschlussbericht der öffentlichen Grenfell-Tower-Untersuchung erwartet.
Leser*innenkommentare
Nafets Rehcsif
Mit jahrzehntelanger Erfahrung im bundeutschen Bau- und Immobilienwesen bin ich ja schon der Meinung, dass wir es übertrieben haben mit den kleinlichen Vorschriften. Aber dass man erst einmal aus einem Großbrand "Lehren ziehen muss" um auf die Idee zu kommen, kein brennbares Plastik an eine Hochhausfassade zu pappen...
Aus fachlicher Sicht war das einfach nur maximal grob fahrlässig, das war mit Ansage...
Das war ein "Fehler" der nicht einmal Anfängern passieren sollte, einem halben Dutzend Planungsbüros, einer Fachabteilung beim Eigner und erfahrenen Fachbetrieben gleich dreimal nicht.
Dass es da nicht schon lange hohe Haftstrafen hagelt, dürfte -wie überall auf der Welt- daran liegen, dass gewisse Leute aus den Aufsichtsbehörden dann auch ins Gefängnis müssten, die aber vorher noch über Einflussnahmen der Politik zu berichten hätten...
"Grenfell" war aus fachlicher Sicht kein "Fehler" der irgendwie erstmals und überraschend aufgetreten ist, das war purer Wahnsinn, oder wie wir kleinen Leute sagen: Die Gier nach schnellem Geld.