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Annäherung von Türkei, Irak und SyrienHauptsache gegen die PKK

Die Türkei verstärkt ihr Militär im Irak, künftig soll es gemeinsame Armeebasen geben. Das Ziel: Gegen die auch im Irak unbeliebtere PKK vorgehen.

Neuerdings beste Freunde: Türkeis Recep Tayyip Erdogan und Iraks Premier Mohammad Shia al-Sudani Foto: Ahmad al-Rubaye/ap

Istanbul taz | Wie kurdische Quellen berichten, verstärkt die türkische Armee in den letzten Tagen ihre Präsenz im Nordirak. Insbesondere in der Provinz Dohuk, die an die Türkei angrenzt, würden neue Militärstützpunkte eingerichtet. Obwohl diese Berichte vom türkischen Militär bisher nicht bestätigt werden, passen sie doch in die politische Entwicklung zwischen dem Irak und der Türkei.

Erst in der letzten Woche besuchte der irakische Außenminister Fuad Hussein – übrigens ein ethnischer Kurde – Ankara und hat sich dort im Rahmen eines vor wenigen Monaten vereinbarten regelmäßigen Austauschs in Sicherheitsfragen mit dem türkischen Außenminister Hakan Fidan getroffen. Im Anschluss gaben beide bekannt, dass sie sich auf zwei gemeinsame Militärzentren im Irak geeinigt haben.

Eines wird in Bagdad aufgebaut, das andere in Bashika, in der Nähe von Mossul. Sowohl in Bagdad wie in Bashika sollen türkische und irakische Offiziere zusammenarbeiten, um dadurch eine bessere Kooperation in Sicherheitsfragen zwischen beiden Ländern zu erreichen.

Obwohl es in der Erklärung heißt, dadurch solle auch Drogen- und andere organisierte Kriminalität bekämpft werden, geht es im Kern doch um die Bekämpfung der türkisch-kurdischen Guerilla PKK, die seit Jahrzehnten ihr Hauptquartier im Nordirak hat. Der Türkei ist es genauso lange ein Dorn im Auge, dass die PKK im Irak geduldet wird und hat die als „Terrororganisation“ gelistete Organisation bei grenzüberschreitenden Aktionen immer wieder angegriffen.

Ankara verhandelt mit Bagdad

Die PKK konnte sich im autonomen Nordirak lange auf die Unterstützung der beiden größten kurdischen Parteien dort verlassen, der Demokratischen Partei, die von der Barsani-Familie kontrolliert wird, und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK). Doch die Demokratische Partei, die im Nordirak die Regierung der Autonomiezone stellt, will die PKK seit langem loswerden, weil die sich ihrer Autorität nicht unterwirft und sich wie ein Staat im Staat gebärdet.

Deshalb toleriert die Barsani-Regierung seit einigen Jahren türkische Militärinterventionen auf ihrem Territorium. Im April dieses Jahres hat die türkische Regierung sich nach langen Verhandlungen auch die Unterstützung der Zentralregierung in Bagdad gesichert.

Bei einem Besuch von Präsident Recep Tayyip Erdogan im April in Bagdad wurde vereinbart, dass im Tausch für mehr Wasser aus den Oberläufen von Tigris und Euphrat und einer wirtschaftlichen Unterstützung durch die Türkei Bagdad einer gemeinsamen Bekämpfung der PKK zustimmt.

Die Türkei hat bereits eine Stromtrasse nach Mossul gelegt und im Gegenzug werden nun die „Joint military center“ in Bagdad und Bashika aufgebaut. Die türkische Armee will unter anderem die Verbindungen der PKK vom Nordirak nach Nordostsyrien unterbinden, wo die syrischen Kurden in enger Zusammenarbeit mit der PKK ein eigenes Autonomiegebiet aufbauen wollen.

Assad will kurdisch kontrollierte Gebiete zurückerobern

Insgesamt wird es für die PKK und die syrischen Kurden mit der Zeit immer enger. Die PKK ist im Nordirak in Bedrängnis, die irakische Regierung stuft sie als „Terrororganisation“ ein. Auch von irakischem Staatsgebiet soll sie verschwinden. Und in Nordostsyrien sind die Kurden nicht mehr nur von der Türkei unter Druck, sondern vor allem das mittlerweile wieder gefestigte Assad-Regime will die von den Kurden kontrollierten Gebiete zurückerobern.

Ähnlich wie mit Bagdad will Präsident Erdogan auch mit Baschar al-Assad wieder ins Gespräch kommen. Die Regierung in Bagdad hat erst unlängst angeboten, ein Gipfeltreffen zwischen Erdogan und Assad auszurichten. Ziel für die Türkei wäre es, dass Assad zustimmt, einen großen Teil der knapp 4 Millionen syrischen Flüchtlinge aus der Türkei wieder zurückzunehmen, und dafür die Türkei ihre Truppen langsam aus den besetzten grenznahen Gebieten in Syrien zurückzieht. Voraussetzung dafür wäre aber, dass die Assad-Truppen wieder die Kontrolle über die Grenzgebiete zur Türkei übernehmen und dadurch eine Pufferzone zu den kurdischen Gebieten herstellen.

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5 Kommentare

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  • Interessant wäre noch die Einordnung der Rolle der USA in den von der PKK kontrollierten Gebieten. Die Stichwörter, die mir spontan einfallen:



    - US-kontrollierte Ölfelder / wer verdient daran aktuell?



    - US Militärbasen in Irak und Syrien (völkerrechtlicher Status?)

    Mit dem Kontext könnte die Gesamtlage durch die Leser besser gewürdigt werden.

  • Erdogan hat die Illusion, er hätte die Macht militärisch etwas Entscheidendes in der Region zu verändern. Wird ihm nicht gelingen.

    • @vieldenker:

      Der Punkt ist doch, dass die amerikanisch geführte Allianz seit den völkerrechtswidrigen Kriegen in Syrien und Irak ihre Präsenz nie vollständig aufgelöst haben.



      Die Amerikaner haben immer noch Basen dort und halten mit der PKK und dieser nahestehenden Organisationen z.B. Ölfelder besetzt.



      Natürlich ist es für die betroffenen Regierungen in Syrien und Irak ein Anliegen dies zu ändern und die Souveränität wiederherzustellen.



      Für die Türkei ist es ebenfalls wichtig die PKK u.a. von einer fremden Macht (USA) unterstütze Parteien in Schach zu halten. Schließlich sind diese historisch betrachtet regelmäßig ein Mittel der Amerikaner ihre hegemoniale Macht auszuleben.



      Verstehe nicht so ganz, dass wieso das für viele nicht nachvollziehbar ist.



      Dass die Kurden ihrem Selbstbestimmungsrecht nachgehen, steht natürlich im Konflikt mit den etablierten Ländern. Auf eine Durchsetzung mit Hilfe der USA zu setzen, halte ich für den falschen Weg. Man ist Marionette im "Amerika-first"-geleiteten Machtspiel der Amerikaner.

      • @nibulous:

        Nun ja, ohne jetzt den Amerikanern Altruismus unterstellen zu wollen, wundere ich mich nicht, dass die Kurden lieber auf sie setzen. Alle anderen aufgezählten Protagonisten haben ja in der Vergangenheit schon zuhauf bewiesen, dass ihnen die kurdische Souveränität nich5 nur im Zweifelsfall egal ist. Insofern wundere ich mich eher über Ihre Sicht der Dinge.

  • Die PKK wird das Überleben. Es wird ein wenig schwieriger werden. Mehr aber nicht. Der Irak ist vor allem korrupt und schlecht regiert. Die irakische Armee taugt nicht viel, sie könnte bei einem echten Angriff sich auflösen. Und die türkischen Soldaten könnten dort schnell aufgerieben werden oder zu Gefangenen von Milizen.

    Erdoğan hat in Bagdad Erfolg, ja, aber es wird wenig bringen. Die PKK ist sehr stringent und kampferprobt, selbst die Peschmerga sind schwächer.

    Und die Einstufung als 'Terrororganisation' im Irak ist kaum das Papier wert, auf dem es steht, praktische Konsequenzen hat das nicht. Was ist im Irak Terrorismus?

    Verübt die PKK in Bagdad Terroranschläge? Nein.

    Aber, wenn sie das wollten wäre es ziemlich gut machbar. Kurdische Gruppen im Irak sind geheimes und illegales Arbeiten lange gewohnt. Gerade die PKK kennt das und hat das immer überlebt. Und Assad wird die PKK als Faustpfand behalten wollen, er müsste ein Idiot sein, die zu opfern. Auch wenn sie ihm im Weg stehen.