Soziales Engagement auf dem Land: „Irgendjemand muss es ja machen“

Ehrenamt in ländlichen Regionen ist anders als in den großen Städten. Unser Autor war zu Besuch bei einer Wärmestube in Halberstadt in Sachsen-Anhalt.

Gruppenfoto: Das Helfer:innen-Team der Wärmestube Halberstadt vor dem Franziskanerkloster Foto: Daniel Schüler

HALBERSTADT taz | Nach Halberstadt in Sachsen-Anhalt kommen viele Touristen, denn der Ort liegt unweit der beliebten Urlaubsregion, dem Harz. Als ich an einem Dienstagmorgen um acht Uhr ankomme, stehen schon ein Dutzend Menschen vor einem kleinen Gebäude neben dem Halberstädter Franziskanerkloster in einer Schlange. Sie sind nicht zum Urlaub hier, sondern warten auf eine warme Mahlzeit und ein nettes Gespräch in der Wärmestube der Caritas.

„Hier kommen viele Menschen hin, nicht nur Rentner und Arbeitslose“, erzählt die stellvertretende Leiterin Antje Schmidt, und führt fort: „Seit 1996 erhalten hier Bedürftige eine warme Mahlzeit, von einem kleinen Team aus hauptamtlichen Kräften, 1-Euro-Jobbern und ehrenamtlichen Helfern.“ Neben einem Mittagessen können sich bedürftige Menschen waschen und Kleidung aus der Kleiderkammer nehmen.

Im Innenraum wird bei Kaffee und Mettbrötchen getratscht und die Sorgen werden ausgetauscht. Bei den Themen, die besprochen werden, wird mir klar, wie weit es hier über meine alltäglichen Sorgen hinausgeht.

Ein präsentes Thema ist die Ukrainekrise. Die Anzahl an ukrainischen Be­su­che­r:in­nen sei doppelt so hoch wie die der Deutschen, wird am Tisch erzählt. Zudem wird sich über die fehlende Präsenz und Unterstützung seitens der Politik beschwert.

Ähnliche Dinge höre ich auch von meinem Vater. Er hat auch in der Wärmestube gearbeitet, aufgrund des Stresses wegen der steigenden Anzahl an Be­su­che­r:in­nen musste er sein Engagement hier aber aufgeben.

Abgehängt

Die Lebensmittel für die Essensausgabe kommen aus umliegenden Supermärkten und werden mit einem Transporter abgeholt. Ich darf die beiden Fahrer begleiten. „Unsere Politiker aus Berlin kommen einmal im Jahr, aber extra an Tagen, wo nicht so viel los ist. Dann wird ein Foto gemacht und das war’s“, berichtet einer der beiden während der Tour.

Zurück in der Wärmestube füllt sich der Saal zum Mittagessen, geschäftig werden Teller ausgegeben. Antje Schmidt gibt noch schnell die letzten Anweisungen für das morgige Sommerfest und verabschiedet sich dann: „Ich gehe jetzt zu meinem Ehrenamt, Seniorennachmittage organisieren. Irgendjemand muss das ja machen.“

Die restlichen Hel­fe­r:in­nen stehen zum Feierabend noch draußen und unterhalten sich. Auf meine Frage, was sie sich wünschen würden, werden „Dankbarkeit“ und „Zuhören“ in die Runde geworfen und von allen abgenickt. Cindy, eine der Helferinnen, verabschiedet sich auch, sie müsse jetzt noch putzen gehen. „Ohne Zweitjob reicht es halt nicht. Aber das verstehen die da oben sowieso nicht“, seufzt sie schulterzuckend.

Der Tag endet mit der Fahrt zum Bahnhof durch einen der Mitarbeiter. „Ich wünsche dir einen schönen freien Tag morgen“, sage ich zum Abschied. „Ach, weißt du, ich schau trotzdem vorbei. Die Besucher brauchen uns ja“, antwortet er mit einem freundlichen Lächeln.

Daniel (25), hat den Osten im Herzen. Geboren im sachsen-anhaltischen Harz, lebt er in Magdeburg und erkundet mit dem Rad alles von Rennsteig bis Rügen. Ganz nebenbei setzt er sich mit zahlreichen Ehrenämtern für die junge Generation der neuen Bundesländer ein. Als Teil des Teams des N5 Symposiums schuf er eine Plattforum für junges Engagement im Osten, die im vergangenen Jahr 400 Gäste auf die Jugendkonferenz nach Erfurt lockte. Auf den Aufruf der taz Panter Stiftung auf der Suche nach jungen Nach­wuchs­au­to­r*in­nen aus Sachsen, Thüringen und Brandenburg für Sonderbeilagen vor den Landtagswahlen reagierte Daniel sofort – ja, er ist eigentlich in Sachsen-Anhalt nicht in Thüringen, richtig. Ihm war es jedoch wichtig, über die Parallele zwischen Zivilgesellschaft auf dem Land in Thüringen und Sachsen-Anhalt zu schreiben.

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