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Ausbau von Radwegen in HamburgGrüne haben Rad nicht neu erfunden

Eine Zwischenbilanz zum Ausbau der Radwege in Hamburg zeigt: Erneut dürfte das rot-grüne Jahresziel von bis zu 80 Kilometern verfehlt werden.

Ein bisschen zu schmal, um als qualitativ hochwertiger Radweg zu gelten: kürzlich sanierte Abschnitt in Hamburg-Altona Foto: Christian Charisius/dpa

Hamburg taz | Fahrradstadt Hamburg? Eine der zentralen Vorgaben, mit der die proklamierte Verkehrswende untermauert werden soll, scheint der rot-grüne Senat auch in diesem Jahr wieder zu verfehlen: 60 bis 80 Kilometer Radweg will er pro Jahr ausbauen oder sanieren, doch aktuell liegt die Zahl deutlich darunter.

Aus der Senatsantwort auf die Frage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Richard Seelmaecker geht hervor, dass sie Ende August bei 22 Kilometer lag, die zuständige Verkehrsbehörde unter Anjes Tjarks (Grüne) spricht von aktuell 26 Kilometern.

Während die CDU deshalb am liebsten den Ausbau des Radverkehrs abblasen will, die Verkehrsbehörde wiederum darauf pocht, dass es sich bei der Zahl nur um eine unseriöse Zwischenbilanz handelt, hält der Allgemeine Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) in Hamburg wenig von der Fokussierung auf die Ausbau- und Sanierungszahlen.

Seit 2015 regieren SPD und Grüne in Hamburg zusammen – und seither gibt es die anvisierte Kilometerzahl für neue und sanierte Radwege. Erst lag sie noch bei 50 Kilometern pro Jahr. Mit der Fortsetzung der Koalition 2020 wurde diese Zahl auf 60 bis 80 Kilometer erhöht. Angesichts der Zwischenbilanz sieht die CDU das Jahresziel schon jetzt verfehlt; Seelmaecker spricht deshalb von einem „Versagen“ des Verkehrssenators.

Zielmarke fast nie erreicht

Tatsächlich spricht nicht viel dafür, dass der Senat sein selbst gestecktes Ziel von mindestens 60 Kilometern 2024 erreicht. Schließlich gelang das schon in den Vorjahren nicht: Zwischen 53 und 57 Kilometern waren es.

Nur einmal, 2020, wurde die Marke von 60 Kilometern überschritten, wohl allerdings auch deshalb, weil in diesem ersten Pandemiejahr mit temporären Pop-up-Bikelanes experimentiert wurde und diese in die Zählung aufgenommen wurden. Auch in der vorhergehenden Legislatur zwischen 2015 und 2019 übersprang Hamburg die damals anvisierte 50-Kilometer-Marke nie.

Die Verkehrsbehörde gibt sich dennoch gelassen: „Wir werden auch in diesem Jahr wieder ein gutes Ausbau-Ergebnis erzielen und sind optimistisch, die 60 Kilometer neue Radwege in Hamburg zu schaffen“, sagt Sprecher Dennis Krämer – schließlich liefen viele Bauprojekte gerade auf Hochtouren.

Auch seien mitunter große Abschnitte einer Baumaßnahme schon fertiggestellt, tauchten aber in der Statistik erst auf, wenn die Restarbeiten beendet sind. „Die Erfahrung zeigt, dass gerade im zweiten Halbjahr die Umsetzung der meisten Projekte stattfindet“, sagt Krämer.

Der Senat tut sich mit seinen Kilometerzahlen auch keinen Gefallen

Dirk Lau, ADFC Hamburg

Die von der CDU angezettelte Debatte über die Kilometerzahlen hält wiederum der ADFC in Hamburg zum einen für wenig hilfreich, da es der CDU nicht um eine Verbesserung des Radverkehrs gehe. „Aber auch der Senat tut sich mit seinen anvisierten Kilometerzahlen keinen Gefallen“, sagt Sprecher Dirk Lau. Schließlich sei der Anteil der lediglich sanierten Radwege hoch, was aber für das Gelingen der Verkehrswende wenig entscheidend sei.

„Viel sinnvoller ist es, mehr Aspekte in die Betrachtung einzubeziehen“, sagt Lau. Dazu gehöre einerseits, auf die Qualität der gebauten Radwege zu schauen, andererseits würden auch andere Maßnahmen wie die Einrichtung von Tempo-30-Zonen dem Radverkehr massiv helfen. Auch die Verkehrsbehörde betont angesichts der Zwischenbilanz, dass die Qualität der Radwege zuletzt angehoben wurde, etwa durch die bauliche Trennung vom Fuß- und Kfz-Verkehr.

ADFC kritisiert „teils reaktionäre“ Bezirke

Für den ADFC liegt das Problem auch deshalb weniger bei der planenden, grün geführten Verkehrsbehörde, sondern dort, wo es an die Umsetzung geht: Bei der SPD-geführten Innenbehörde mit ihren untergeordneten Straßenverkehrsbehörden sowie bei den Bezirken, in deren Bezirksversammlungen der Widerstand gegen den Radwegausbau „teils reaktionär“ verhindert werde. „Angesicht dessen kann man schon sagen: Es tut sich was“, sagt Lau.

Der ADFC-Sprecher sieht Hamburg dennoch weit entfernt von der proklamierten Fahrradstadt. „Im innerstädtischen Bereich tut sich momentan viel, aber sobald man ein wenig weiter raus aus der Innenstadt schaut, sieht man seit 20 Jahren kaum eine Entwicklung“, sagt Lau. Das gelte besonders für die Magistralen – Hamburgs autogerechte Verbindungen mit dem Umland –, an denen die Radwege meist in einem katastrophalen Zustand sind.

Dabei seien die für den täglichen Pendelverkehr von größerer Bedeutung für die Verkehrswende als kurze innerstädtische Fahrradstraßen.

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4 Kommentare

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  • In Bremen sieht es ähnlich aus. Es geht viel zu langsam. Es braucht auch dann noch mächtig Druck, wenn die "richtige" Partei regiert.

    Und das Ranking des ADFC zeigt, dass es auch CDU Städte und Kommunen sein können, die vorne liegen.

    • @Rudolf Fissner:

      Bzgl. des zweiten Absatzes könnten sie beim nächsten mal bitte gerne einen Hyperlink zur Quelle verlinken, bzw. die Aussage genauer Ausführen.

      Denn es wäre, denke ich, evtl. Interessant zu sehen wie groß die Städte ihrer angedachten Beispiele wären. Bzw. wie viel Einwohner die größten haben.

  • Es ist Quatsch-Politik, sich eine gebaute Länge von 'Radwegen' als "Ziel" zu setzen.

    Siehe z.B. Stresemannstr./Alsenstr., neu mit Radstreifen in Mittellage. Die gehen, obwohl (oder weil?) sie viele Radfahrende abschrecken, dennoch in die Zielmarke ein.

    Radverkehrspolitische ZIELE sind:

    - Erhöhung des Anteils der Schüler:innen, die mit Rad zur Schule fahren um x % bis y



    - Erhöhung des Anteils des Rad- Pendler bis 5/10/15 km je um x % bis y



    - ...

    Dazu bedarf es einer Ausgangslage, d.h. der aktuelle Stand muss gemessen werden.



    Von diesem Stand aus müssten Ziele formuliert werden.

    Was nun im Artikel verhandelt wird, sind keine Ziele, sondern Massnahmen.

    Diese hier verhandelten Massnahmen sind an (leider nicht formulierten) Zielen zu messen. D.h. es ist zu evaluieren, inwieweit diese Massnahmen zum Erreichen des quantitativ und zeitlich bestimmten Zieles beitragen, neutral oder sogar kontraproduktiv sind.







    Die - immer notwendige - Evaluation kann zur zielorientierten Anpassung der Massnahmen wie auch zur Änderung der Ziele führen.

    Massnahmen und Ziele sind, quasi atmend und sich gegenseitig regulierend, durch Evaluation verbunden.

    Man nennt das evidenzbasierte Verkehrspolitik.

  • Das Bezieht sich jetzt auf den Innerstädtischen Teil, aber Teils ist echt Bizarr was wie gebaut/umgesetzt wird, eine Spur der Lehnartzstraße z.b. wird zwischen Kundenzentrum Hamburg Nord und der Kreuzung wo sie zum Eppendorfer Baum endet in einen Radweg umgewandelt.







    Das ist grundsätzlich schon mal was, nur das Stück des Eppendorfer Baums bis zur Kreuzung hinter der gleichnamigen U-Bahn Haltestelle lässt man zeitgleich außen vor. Dabei ist das das Stück, wo man z.b. aus Sicht der Fußgänger tagsüber ziemlich oft Probleme mit den Radfahrern hat und umgekehrt, zumal sich dort z.b. auch Läden und Außengastronomie befinden.

    Auf dem Stück, wo die Umwandlung realisiert wurde, hat man aber immer weniger Probleme gehabt, u.a da dort nur Wohnhäuser sind. Mal sehen, hab gehört das das, wenn, irgendwann nach Straßenarbeiten nachgeholt werden könnte, das glaub ich aber erst wenn es realisiert worden ist.

    Man kann nur hoffen das das ein seltenes „Negativbeispiel“ ist, und die Peripherie in Zukunft auch mal positiv Bedacht wird.