Kein Plan für die Moor-Renaturierung: Bundeswehr kann's nicht schneller

Sechs Jahre nach dem Moorbrand in Meppen wachsen die ökologischen Schäden im Moor immer weiter. Die Bundeswehr plant die Wiedervernässung behäbig.

Das Moor auf dem Bundeswehr-Testgelände in Meppen während des Moorbrandes 2018; die karge Moorlandschaft im Hintergrund ist schwarz verkohlt, die unterirdischen Feuer ahnt man vereinzelt durch Rauch, der aus dem Boden steigt. Foto: Mohssen Assanimoghadda

Das Moor auf dem Bundeswehrgelände in Meppen während des Moorbrandes 2018. Heute wird das Ökosystem durch wuchernde Birken gestört Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

BREMEN taz | Die Birken wachsen. Dort, wo vor genau sechs Jahren, am 3. September 2018, das Moor Feuer gefangen hat, weil die Bundeswehr nach einem trockenen Sommer auf ihrem Übungsgelände ein paar Raketen abgeschossen hatte. Das Feuer fraß sich nach unten, unterirdisch brannten die Torfschichten fünf Wochen lang, bis es gelang, alle Brände zu löschen. Und jetzt, jetzt wachsen die Birken.

„Intensiver Gehölzaufwuchs auf etwa 600 ha Fläche“ wird das in einem Bericht der Bundeswehr formuliert, dicht an dicht stehen die Birken und Pappeln an vielen Stellen. Grund zur Freude ist das nicht. Für das Moor oder das, was davon übrig ist, sind die Bäume gefährlich: Sie ziehen das Wasser aus dem ohnehin viel zu trockenen Boden, werfen Schatten und Laub dort, wo empfindliche Moorgewächse eigentlich Sonne brauchen und verändern so das geschädigte Moor, bis es keines mehr ist.

Weder kann der Torfboden seine Funktion als Kohlenstoffdioxidspeicher erfüllen, noch Lebensraum sein für gefährdete Arten. „Die empfindlichsten Pflanzen sterben zuerst“, sagt Katja Hübner vom Nabu Regionalverband Emsland.

Seit Anfang August darf die Bundeswehr wieder überall auf ihrem Testgelände schießen, auch in den betroffenen Moorgebieten. Es gibt jetzt mehr Sicherheitsmaßnahmen als zuvor: zusätzliche Feuerwehrkräfte, neue Löschwege, neue Löschfahrzeuge, und neue Richtlinien dafür, wie trocken die Böden sein dürfen. Die Wege im nahegelegenen Dorf Stavern wurden saniert, die Bundeswehr Big Band hat ein Konzert zur Entschädigung gegeben.

Das Moor verwaldet

Die ökologischen Folgen aber sind sechs Jahre nach dem Moorbrand noch nicht beseitigt. Im Gegenteil. Die Schäden würden immer noch größer, warnt der Umweltverband Nabu.

Die Bäume müssen weg, so viel ist klar. Tatsächlich hat die Bundeswehr dafür mittlerweile technisches Gerät angeschafft und sich 2021 an die Arbeit gemacht. „Mit den Renaturierungsmaßnahmen ist man auf einem guten Weg, auch wenn diese langfristig angelegt sind“, wird ein Bundeswehrsprecher im Protokoll einer Umweltausschusssitzung des Landkreises Emsland von März 2023 zitiert.

Etwa 85 Hektar konnten 2022/23 auf diesem guten langfristigen Weg entholzt werden, „entkusselt“ heißt das in der Moor-Fachsprache. Allerdings sind insgesamt rund 600 Hektar verstraucht. Bei dem Tempo dauert es rechnerisch sieben Jahre, bis die Birken weg sind. Doch diese Rechnung geht nicht auf – schließlich müsse zusätzlich nach Einschätzung der Bundeswehr selbst alle zwei bis Jahre nachgearbeitet werden: Einmal gefällte Gehölze treiben wieder aus.

Viel schneller werden könne die Bundeswehr beim Fällen nicht, stellt sie in einem Bericht gegenüber dem Kreistag dar: Weil nach 150 Jahren Nutzung als militärisches Übungsgelände praktisch jeder Fleck mit Munition belastet ist, können die Bäume nur mit Spezialgerät und ferngesteuert abgeholzt werden.

Außerdem sind die Baumfällungen auf die Zeit außerhalb der Brutzeit beschränkt. Die Witterung muss stimmen, damit der Boden für die Maschinen befahrbar ist. Und nicht zuletzt werden mehrere Monate für die eigene Nutzung für die „verteidigungspolitischen Maßnahmen“ ausgespart. Effektiv verbleibe so nur eine Einsatzzeit von drei bis vier Monaten pro Jahr.

Die dauerhafte Lösung heißt aber ohnehin nicht Fällen, sondern Wiedervernässung. Im klitschnassen gesunden Moor könnten die Birken nicht überleben. Doch wie fast auf der gesamten deutschen Moorfläche wird auch das Moor in Meppen, die sogenannte „Tinner Dose“ von Gräben durchzogen, ständig fließt Wasser ab. Im Prinzip ist klar, was passieren muss: Die Gräben müssen zugeschüttet werden, wenigstens zum Teil, das Wasser aufgestaut, und ein Wall wie eine schützende Mauer rund um das Moor aufgeschüttet werden.

Wiedervernässung nur nach Gutachten – das dauert

Schon 2019 hatte der Nabu im eigens eingerichteten AKAUM (Arbeitskreis Aufarbeitung Umweltschäden Moorbrand) darauf hingewiesen und ein Konzept mit notwendigen Maßnahmen vorgelegt. Die Reaktion der Bundeswehr sei interessiert gewesen – und abwiegelnd. Man wolle erst das große Gutachten abwarten.

Doch das große Gutachten, das ließ auf sich warten; noch im September 2022, vier Jahre nach dem Moorbrand, musste die Bundeswehr gegenüber dem Landkreis Emsland zugeben, dass sie noch gar kein Gutachten in Auftrag gegeben habe. Die „Erstellung der Vergabeunterlagen“ habe sich verzögert.

Nach mehr als vier Jahren, 2023, wurde das Gutachten endlich beauftragt. Aber ein Ergebnis, das dauert auch nochmal. Ein ganzes Jahr lang jedenfalls, so die Planung, sollen Pegelstände aufgezeichnet werden, um den Istzustand zu erfassen; wann das Gutachten fertig sein soll, sagt die Bundeswehr auch auf Nachfrage nicht.

Katja Hübner, Nabu Regionalverband Emsland

„In einem Waldgebiet können die nicht schießen, wegen der Brandgefahr“

„Man will den ganz großen Wurf“, erklärt Hübner. Dabei könne man vieles einfach ausprobieren: Flexible Staudämmen, mehrere kleine, statt eine große Stauung vornehmen zum Beispiel. Dann könne man immer noch nachjustieren, wenn das Wasser doch zu hoch steige.

Im Landtag Emsland kritisierten bereits sowohl SPD und Grüne als auch CDU das mangelnde Engagement der Bundeswehr. Verantwortungslos, auch bei der Aufarbeitung, handele die Bundeswehr, so der SPD-Abgeordnete Ulrich Wilde bei einer Sitzung 2022. Auch der CDU-Abgeordnete Reinhard Kurlemann fand „keinen Willen zur Umsetzung erkennbar“. „Viel zu zögerlich“ seien die Renaturierungsmaßnahmen angegangen worden, kritisiert Klemens Grolle von den Grünen gegenüber der taz.

Eigentlich, betont Hübner, müsste die Bundeswehr selbst das größte Interesse an einem intakten vernässten Moor haben. „In einem Waldgebiet können die nicht schießen, wegen der Brandgefahr.“

Die Bundeswehr, sie schweigt allerdings zu alldem. Die taz-Anfrage von Donnerstagmittag wird bis Montagabend „aufgrund der Kürze der Zeit“ nicht beantwortet, auch nicht in Teilen. Einen Grund für die behäbige Umsetzung gab es bei der Umweltausschusssitzung im Landkreis im März 2023. „Mit der Situation war man schlichtweg überfordert“, wird ein Sprecher der Bundeswehr im Protokoll der Sitzung zitiert.

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