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Stauseen und Brunnen fehlenEin Drittel Siziliens bald Wüste

Extreme Dürre, aber auch marode Wasserleitungen und falsche Prioritäten bei der Infrastruktur machen der Mittelmeerinsel zu schaffen.

Der Fanaco-See versorgt den gesamten Süden Siziliens – jetzt ist der Wasserstand extrem niedrig Foto: dpa

Palermo dpa | Auf Sizilien ist man Trockenheit in den heißen Sommermonaten gewohnt, dieses Jahr ist sie aber so katastrophal wie lange nicht mehr. Ausgetrocknete Seen und von der sengenden Hitze verdorrte Felder prägen das Bild auf der italienischen Mittelmeerinsel. Einige Landschaften sind diesen Sommer kaum wiederzuerkennen: Seen, die einst türkis schimmerten, sind inzwischen verschlammt oder trocken gefallen.

Landwirte beklagen dezimierte Ernten und Bauern stehen wegen des Wassermangels vor der schwierigen Entscheidung, ob und wie viele ihrer Tiere sie schlachten müssen, bevor diese weiter abmagern. Für die Einwohner vieler Gegenden Siziliens – besonders betroffen ist die südliche Provinz Agrigent – ist das Leitungswasser streng rationiert. In langen Schlangen stehen sie mit Wasserkanistern an, um an öffentlichen Brunnen Wasser zu holen.

In dem Urlaubsparadies herrscht Dürre-Notstand: Siziliens Regierung hat bereits früh den Katastrophenfall ausgerufen. Indes ruft die italienische Umweltbehörde Ispra die höchste Warnstufe für die Mittelmeerinsel aus. Ausgelöst wird der extreme Wassermangel von der aktuell großen Hitze sowie ausbleibendem Regen. Das Auswärtige Amt hat seine Reisehinweise aktualisiert, um Urlauber auf die Risiken der Dürre aufmerksam zu machen.

Die Sizilianer haben sich in den vergangenen Jahren mit langen Dürreperioden ohne Regen arrangiert: In unterirdisch gelegenen oder auf Dächern angebrachten Zisternen, also Wasserbehältern, speichern sie Wasser und in großen Tankwagen wird Wasser in abgelegene Orte geliefert. Doch all die Bemühungen halfen diesen Sommer nicht mehr. Vom Festland rücken Marine-Tankschiffe an, um die Einwohner mit Wasser zu versorgen.

Auch menschliche Ursachen

Dieses Jahr fiel nach Angaben des Zivilschutzes so wenig Regen wie schon sehr lange nicht mehr. Und die Prognosen für die kommenden Jahre lassen aufgrund der zunehmenden Erderhitzung, die Extremwetter wahrscheinlicher macht, nichts Gutes erahnen: Einem Bericht des Umweltingenieurs Leonardo Noto von der Universität Palermo zufolge wird es in Zukunft immer seltener, aber dafür umso stärker regnen, während leichter und konstanter Regen, der tief in den Grundwasserspiegel eindringt und den Boden sättigt, nachlassen wird.

Laut Experten ist der Wassermangel auf Sizilien zum Teil auch hausgemacht: Viele Wasserleitungen auf der Insel sind marode, wodurch viel Wasser verloren geht. Außerdem fehlten seit Jahren Strategien, um das Problem in den Griff zu bekommen. Experten beklagen politische Untätigkeit und schlechtes Wassermanagement, zusammen mit dem wenigen Regen in den Wintermonaten und der Hitze zeigt dies nun seine bitteren Folgen.

Landwirtschaft vs. Tourismus

Von Jahr zu Jahr übertreffe sich die Politik zwar mit Ankündigungen, beklagen Landwirte und Bewohner. Ihnen zufolge passiert am Ende jedoch kaum etwas. „Ich frage mich, was die Politik macht“, empört sich Giovanni Bonanno, der bei Agrigent Kaktusfeigen anbaut. In Rom und Palermo werden Millionen Euro freigemacht. „Das ist nicht das, was wir brauchen. Wir brauchen bessere Stauseen und Brunnen“, sagt Bonanno. „Der echte Bauer liebt sein Land, er steht jeden Morgen auf und schuftet. Wir wollen in der Lage sein, zu arbeiten.“

Der Unmut der Sizilianer wird dadurch verstärkt, dass auf der einen Seite die Stauseen austrocknen und auf der anderen Seite in vielen touristischen Gegenden die Pools prall gefüllt sind. Der Fanaco-See, der mehrere Gemeinden mit Wasser versorgt hatte, geht zur Neige, der Pergusa-See, Siziliens größter natürlicher See, ist auch fast ausgetrocknet.

Tatsächlich setzen die sizilianischen Behörden viel daran, Urlauber nichts von dem Wassermangel und der Trockenheit merken zu lassen. Im besonders betroffenen Süden Siziliens gehört vor allem das sogenannte Tal der Tempel bei Agrigent zu den beliebtesten Attraktionen für Touristen. Die lokalen Behörden versuchen Urlauber zu beruhigen, dass sie keine Auswirkungen der Dürre zu befürchten haben. Die Wasserversorgung werde priorisiert. Allerdings geht italienischen Medienberichten zufolge auch ersten Hotels das Wasser aus.

Bis 2030 ein Drittel Wüste

Auswirkungen auf den Tourismus sind in der aktuellen Situation laut dem Hotellerieverband Federalberghi nicht zu spüren. Der Unternehmerverband Confcommercio schlägt jedoch Alarm und warnt vor der Bedrohung des Wassermangels für den Tourismus. Der Verband appellierte, die Folgen für eine wichtige Einnahmequelle Siziliens nicht zu unterschätzen.

Werden die Behörden für die nächsten Jahre Schlüsse aus diesem extremen Sommer ziehen? Prognosen von Forschern verheißen nichts Gutes. Manche Experten sagen gar voraus, dass sich ein Drittel Siziliens bis 2030 in eine Wüstenlandschaft verwandeln könne. Leonardo Noto von der Universität Palermo geht in seinem Bericht hingegen davon aus, dass die Insel bis Ende des Jahrhunderts immer trockener und wüstenähnlicher wird.

Einig sind sich Experten und auch die Einwohner Siziliens, dass das Wassermanagement dringend geändert werden muss. Bis dahin müssen sich die Sizilianer neue Lösungen suchen. Manche sammeln dieses Jahr schon behelfsmäßig Wasser in Badewannen oder in Behältern auf dem Balkon – zusätzlich zu den Zisternen im Untergrund, die sie sich schon vor Jahren angeschafft hatten.

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14 Kommentare

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  • Genau dieser Teil Siziliens, der jetzt verwüstet ist, wurde für die Landwirtschaft abgeholzt und niedergebrannt. Wenn die Landwirtschaft keinen Platz für die Natur bietet, kann der Wasserspiegel nicht oben bleiben, sondern sinkt automatisch. Eine bewachsene Umgebung würde den Wasserspiegel oben halten, auch wenn es ein Jahr nicht regnet. der Anbau von Weizen und die Viehzucht, die jedes Jahr zunimmt, sind die Hauptursache des Problems.

  • Verwundert dies alles wirklich so sehr?

    Wie sah dann die Vergangenheit aus. Wir hatten genug Regen, die Lager übervoll, sodass häufig Wasser abgelassen werden musste. Da interessierten ein paar kleinere Undichtigkeiten im Netz nicht und wenn doch, war eine Bedrohung von anderen Infrastrukturen der Auslöser für Reparaturen.

    Das ist analog in Deutschland. Wenn hier ein Druckabfall zu messen ist, wird er faktisch klassifiziert. Wenn er nicht allzuhoch ist und man jedes Jahr seine 100.000 oder sogar >= 1 Millionen Liter Wasser verliert, wird man nicht sofort aktiv, aktiv wird man, wenn des wegen z. B. eine Straße absackt.

    Wasser wird eben nicht behandelt als ein Gut, wo jeder Tropfen wertvoll ist, sondern was halt nachkommt. Das ändert sich immer erst dann, wenn eben kein Wasser mehr da ist, erst dann macht man sich über Zwischenspeicher und Transportwege wirklich einen Gedanken.

    So gesehen ist die Situation nun sogar ein Segen. Man beginnt dann nämlich das erst mal ernsthaft drüber nachzudenken, was man alles ändern musst, dass eben Wasser nicht mehr sinnbefreit versickert.

  • Die Mafia austrocknen hatte ich mir anders vorgestellt ...

    Wie bei vielem anderen auch: Gegen die Natur läuft nichts, und mehr raushauen, als wieder nachhaltig reinzuholen ist, ist asozial-kurzsichtig.

    • @Janix:

      "Die Mafia austrocknen hatte ich mir anders vorgestellt ..."



      ... wunderbar!



      Auch wenn es wirklich ernst ist.

  • Das Wassermanagement muss nicht nur in Sizilien geändert werden!

    • @Khalek Qassiti:

      …klar - op jot kölsch - “da müßte mal einer bei!“ Newahr



      Normal - aber bitte ohne Mafia Casa Nostra et al.& nochens - setze ich doch arg auf den Arsch - als mir auf La Palma die Wasserversorgung praktisch in der Hand einer Familie liegt!

      Na Mahlzeit - mal hochgerechnet! Woll

      • @Lowandorder:

        Nicht vergessen: NESTLÉ:



        Auf deren Website wird die damalige Aussage relativiert. Klar. But: jeder der es sich leisten kann, kauft Quellen und Wasserrechte. Lebensmittelkonzerne, Stiftungen derselben mit Landrechten usw. usw.



        Riegel vor. Eigentum verpflichtet. Eigentum ermächtigt nicht, sich unermeßlich Macht zuzueignen.



        Steuern rauf für die Riesenvermögen, bzw erstmal erheben, dann brauchst auch den Bürgergeld-Berechtigten nicht 20 € abzwacken.

        • @LeKikerikrit:

          Ich weiß nicht wie 20€ Bürgergeldabgabe hier den Wassermangel auf Sizilien bekämpfen sollen. oder anders: Prima Beispiel für Whataboutism

          • @Impfgegner-Gegner:

            "Ich weiß nicht wie 20€ Bürgergeldabgabe hier den Wassermangel auf Sizilien bekämpfen sollen.".



            Jenau erkannt. Jetzt denkste noch zwei Ecken weitter; und da lauert der Trichter.



            Vorsicht ist geboten. Na ja, usw.

  • Man frage einfach nach, wem es, trotz dieser Katastrophe, offensichtlich besser geht. Finanziell.



    Sollte sich Frau Meloni mit der Autonomie-Reform ihres rechten Bruders, Matteo Salvini, durchsetzen, verlagert sich die Cosa Nostra einfach in Gebiete mit richtig einträglichen Pfründen.



    Wenn sie nicht schon da sind.

    • @LeKikerikrit:

      …anschließe mich -



      & was im Weg ist - wird weggesprengt - wie weiland in Sizilien 💣💣💣

  • Gründe: Frag doch auch mal die Mafia •



    www.berliner-zeitu...versickert-li.6213

    So geht das ©️ Kurt Vonnegut



    &



    “Darum hat Kurt Vonnegut einmal gefragt: "Was ist das für eine Presse, die wir heute haben, wenn man Bücher lesen muss, um zu wissen, was in der Welt passiert?"

    • @Lowandorder:

      "“Darum hat Kurt Vonnegut einmal gefragt: "Was ist das für eine Presse, die wir heute haben, wenn man Bücher lesen muss, um zu wissen, was in der Welt passiert?"".



      Da muss ich vehement widersprechen. Das Problem ist doch nicht eine Fakten aufdröselnde Presse, sondern die auf Leckerli dressierten NEUE REVUE Leserlichen.

  • Die anthropogenen Effekte sind in Südeuropa, auch in Nordspanien, deutlichst zu spüren, zu sehen und zu fühlen, aber bei abnehmender, weil absterbender Flora und Fauna dann auch (eben nicht mehr) zu hören. Der Fotojournalist und Kriegsfotograf Daniel Etter hat in Katalonien ein Projekt gestartet, als Feldversuch für Landwirtschaft in unwirtlich werdenden Regionen:



    "Im Sommer 2022 spürt Daniel Etter den Klimawandel in seiner unmittelbaren Umgebung. Sein Garten verdorrt, die Tomaten verkochen am Strauch und der Fluss im Tal trocknet aus, hat sich seither nicht wieder erholt.



    "Ich glaube, für viele Menschen ist die Klimakrise noch so etwas Abstraktes", so Etter. "Ok, es wird im Sommer ein bisschen heißer, das ist ein bisschen unangenehm, und dann ist es aber wieder vorbei, und das war's dann. Der Kern unserer Landwirtschaft, dass unsere Nahrungsmittelproduktionsysteme funktionieren, ist, dass wir stabiles Wetter haben."



    Quelle daserste.de



    Es geht um Existenzen, Verteilung, Gerechtigkeit und schnelle Lösungen, ein Wiederaufbau der Böden scheint fast ausgeschlossen, wenn sie der profunden Desertifikation anheim gefallen sind.