Berichterstattung über Sachsen: Immer dieses schiefe Bild
Berichte über Sachsen sind oft einseitig und prägen ein bestimmtes Bild über das Bundesland. Es braucht neue, junge Perspektiven.
Woher kommt das schlechte Image von Sachsen? In den letzten Monaten haben wir uns, junge Menschen zwischen 16 und 28 Jahre alt, auf Einladung der taz Panter Stiftung mit dem Bild unseres Heimatbundeslands auseinandergesetzt. Mit diesem Dossier wollen wir einen frischen Blick darauf werfen.
Um diesem Thema auf den Grund zu gehen, lohnt es sich, die Berichterstattung über sächsische Städte genauer zu betrachten, wie Chemnitz und Zwickau, die dritt- und viertgrößte Stadt im Bundesland. Diese Städte stehen stellvertretend für viele andere in der Region. Die Berichterstattung darüber erscheint besonders einseitig.
Ich nehme gerne die taz-Berichterstattung als Beispiel. Seit 2022 fokussiert sie sich stark auf Rechtsextremismus und Rassismus, wenn Chemnitz vorkommt. Ein Drittel der Artikel handelt seitdem direkt von diesen Themen. Bei dem Rest wird zwar über etwas anderes berichtet, jedoch immer wieder auf die Ereignisse von 2018 oder auf Rechtsextremismus hingewiesen. Chemnitz wird in den Überschriften pauschal als Rassistenstadt bezeichnet. Einen Nazikiez gab es in Chemnitz nie. Über Zwickau hat die taz in den letzten drei Jahren zwei Artikel veröffentlicht – beide zu Rechtsextremismus.
Nach den Ergebnissen der Europawahlen im vergangenen Juni wurde erneut über den „rechten Osten“ diskutiert.Die alten DDR-Grenzen seien in AfD-Blau eingefärbt. Der Osten bewege Deutschland nach rechts, hieß es. Unterbelichtet blieb jedoch, dass zwei Drittel aller AfD-Stimmen aus Westdeutschland kamen.
Ein vielschichtiges Bild sächsischer Städte
Mit dem schiefen Bild über Sachsen, das über die Medien verbreitet wird, werden Zugezogene konfrontiert, wenn sie sich für Ostdeutschland zum Studieren entscheiden. Darüber berichten wir auch in dieser Beilage. Allein über Chemnitz gäbe es so viele positive Aspekte zu berichten! Der Chemnitzer FC, der früher für Rechtsextremismus bei Fußballfans stand, hat sich zu einem weltoffenen Verein gewandelt. Das ehrenamtlich organisierte Kosmos-Festival engagiert sich für Toleranz und gegen rechts und zog dieses Jahr 70.000 Besucher an. In Chemnitz leben im Verhältnis zur Einwohnerzahl (250.000) die meisten ukrainischen Geflüchteten in Deutschland, die mittlerweile fest in das Stadtbild integriert sind. Es gibt eine große vietnamesische und indische Gemeinde. Zudem befindet sich in Chemnitz das einzige ostdeutsche „Einhorn“ (Start-up mit einer Milliarden-Bewertung) außerhalb Berlins.
Es ist daher erfreulich, dass die taz und die taz Panter Stiftung dieses Mal Nachwuchsautor:innen beauftragt haben!
Johannes Fromm (25), aufgewachsen in Mecklenburg-Vorpommern, ist für das Studium nach Chemnitz gezogen.
FOTO: Timo Krügener, 25 Jahre alt, aufgewachsen in Niedersachsen und seit 4 Jahren als Student, Fotograf und mittlerweile freier Fotojournalist in Leipzig. Begleitet seit einigen Jahren vor allem die Klimagerechtigkeitsbewegung, aber auch Engagement für Demokratie in anderen Bereichen.
Leser*innenkommentare
Suryo
"Unterbelichtet blieb jedoch, dass zwei Drittel aller AfD-Stimmen aus Westdeutschland kamen."
Allerdings wohnen nur 16,6 Prozent aller Menschen in Deutschland im Osten.
Also ist der Anteil der Rechtsextremisten dort erheblich höher, nämlich offenbar ungefähr doppelt so hoch.
Klaus Waldhans
Es geht in den Berichten über z.B. Sachsen ja nicht darum, die mutigen Leute, die sich der AFD und Konsorten entgegenstellen, zu 'übergehen'. Es sind Bestandsaufnahmen, die eine Realität wiedergeben. Und die ist, wie sie nun mal ist. Und dazu gehört, dass 30% eine Faschopartei wählen, nicht aus Protest sondern aus Überzeugung. Wenn in meiner Stadt oder dem Kreis die Realität ebenso wäre, würde ich es befürworten, dass darüber berichtet wird, und dies in aller Deutlichkeit.
fvaderno
Im Artikel steht: 'Es braucht neue, junge Perspektiven.* Da beschreibt aber nicht die derzeitige Realität: Denn der Satz muss im Konjunktiv geschrieben werden.
Es bräuchte neue, junge Perspektiven. Aber die Hoffnung stirbt ja zuletzt.
Andreas Horn
Zu diesem Thema gestern einen Kommentar von Harald Martenstein auf Radio eins gehört:"Viel
wurde darüber geredet, dass Ostdeutschland abdriftet, nur der Osten selbst kam nie zu Wort! Deswegen wundert mich die aktuelle Entwicklung überhaupt nicht. (sinngemässe Wiedergabe)" Dem ist nichts hinzuzufügen und es ist damit alles gesagt. Für Restzweifler empfehle ich das Hören des Titels "Es steht ein Haus in Ostberlin " von der ersten allgemeinen Verunsicherung aus dem Jahre 1990, die Jungs müssen eine Glaskugel gehabt haben, bis heute aktuell und sollte Pflichtwerk in Gesellschaftskunde sein !
Altunddesillusioniert
wird nicht immer und überall nur über negative Sachen berichtet?
z.B. Solingen kenne ich nur von dem Brandanschlag 1993 und der jetzigen Messerattacke....
Bommel
Es würde schon reichen, wenn nicht ständig, auch in der Taz, pauschal über den Osten geredet würde. Bei der aktuellen Wahlberichterstattung fällt dies wieder stark auf. Da ist bspw. die Rede davon, dass die blaue Welle "aus dem Osten in die Extremistenhochburgen im Westen" schwappen könnte. Damit wird impliziert, dass der gesamte Osten Afd gewählt hat, aber der Westen weitegehend dagegen gefeit ist, außer ein paar unwesentliche Hochburgen.
Bei jeder Berichterstattung beispielsweise über Menschen in Afrika wird höchster Wert auf darauf gelegt, nicht zu pauschalieren, um dem - berechtigten - Vorwurf des Rassismus zu umgehen. Ich würde mich freuen, wenn wir es schaffen würden, auch im eigenen Land nicht ganz so stark zu pauschalieren. Pauschalierung führt zu nichts Positivem, es sorgt aber dafür, dass es den Pauschalierten eigentlich egal ist, was andere über sie denken, da sie offensichtlich wenig Ahnung von Details haben.
Tazmahall
@Bommel Pegida, Impfgegner, Coronaleugner: Schwerpunkte waren Sachsen und Thüringen.
Letzte Wahlen:
Thüringen 30%
Sachsen 30%
Sachsen- Anhalt Prognose 30% für die AfD.
Wer sich da hinstellt und greint, es würde so schlecht übers eigene Bundesland geschrieben, hat den Ernst der Lage nicht verstanden oder drückt sich vor der Verantwortung.
Ja, es gibt bemerkenswert mutige Menschen im Osten, die für Demokratie und Menschenrechte tagtäglich einstehen und dabei Bedrohungen fürchten oder erleiden müssen.
Wer aber den Rest der Republik so kritisiert, ist nich dem alten SED - Mantra verfallen, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.
Sorry, mit der Kritik deckt Ihr die Faschisten.
Bommel
@Tazmahall Auch wenn Differenzierung so gar nicht Ihr Ding zu sein scheint, möchte ich Ihnen antworten:
Ich meine genau das, was Sie schreiben. Zum Einen sind 30% der Wähler nicht sämtliche Einwohner eines Landes. Um Ihnen das zu illustrieren: ca. 41,1% aller Straftatverdächtigen in Deutschland waren 2023 Ausläner (de.statista.com/st...ftaten-zeitreihe/). Kämen Sie tatsächlich auf die Idee, implizit oder explizit zu behaupten, alle Straftatsverdächtigen in Deutschland sind Ausländer?
Kritik - und dafür gibt es aureichend Anlass - ist absolut okay. Aber diese Verallgemeinerungen sind zum Einen einfach unsachlich und zum Anderen einfach falsch. Sie sollen meist nur die intellektuellen Limitierungen der Menschen überdecken, die Verallgemeinern. Und warum Impfgegner und Coronaleugner Faschisten sind, bleibt vermutlich Ihr ideologisches Geheimnis.