: „Das hängt jetzt von denen ab“
Bei den anstehenden Verfahren schaut die Koalition auf die CDU im Bundesrat
BERLIN taz ■ Der Wahlkampf blockiert vieles, aber nicht alles. Manche Gesetzentwürfe haben dennoch Chancen. Zwei Jahre dauerte das Verfahren – nun steht das Energiewirtschaftsgesetz kurz vor der Vollendung. „Eigentlich. Das hängt jetzt von denen ab“, sagt Michaele Hustedt, energiepolitische Sprecherin der Grünen. „Denen“ meint die Union im Bundesrat.
Ursprünglich sollte am 2. Juni die Vermittlungsrunde zwischen Bundestag und Bundesrat zusammentreten, um sich über die Liberalisierung des Energiemarktes zu einigen. Ob das nun noch realistisch ist, „vermag ich nicht einzuschätzen“, sagt Hu- stedt. „Es gibt offenbar in der CDU einen Flügelkampf zwischen einer kundenfreundlichen und einer konzernfreundlichen Position.“
Dabei ist Deutschland im Verzug: Eine EU-Vorgabe hätte bereits vor einem Jahr umgesetzt werden müssen. „Theoretisch können wir das Gesetz noch rechtzeitig auf den Weg bringen“, sagt Hustedt, die an die Union appelliert, „nicht zwei Jahre gemeinsame Arbeit völlig kaputtzumachen“.
Noch klappen könnte es auch mit dem Fluglärm-Gesetz, das die Grünen noch in den Bundestag einbringen wollen. Es ist nicht zustimmungspflichtig – und war lange bei der SPD umstritten. Bis die Grünen einem Deal zustimmten und die Beschleunigungsgesetze akzeptierten, mit denen die SPD bei Bauvorhaben für Tempo sorgen will, indem sie die Bürgerbeteiligung etwa beim Straßenbau einschränken. Nun ist das Tauschgeschäft allerdings wieder umstritten: „Es gibt keinen Grund mehr, im Namen der Koalitionsdisziplin jeden Scheiß mitzumachen“, findet Winfried Hermann, umweltpolitischer Sprecher der Grünen.
Etwas kompliziert ist es auch bei der Förderung der Dieselrußfilter. SPD-Finanzminister Hans Eichel wollte die finanziellen Lasten auf die Länder abwälzen. Das hat die Union im Bundesrat natürlich abgelehnt. Dennoch ist die CDU eigentlich für die Maßnahme. Die wahrscheinliche Verzögerung sei „nicht ganz so dramatisch“, findet Jürgen Resch, Chef der Deutschen Umwelthilfe. Er hofft auf Nachbesserungen: „Wichtig ist, dass Stinker belastet werden.“
Auch ein Antidiskriminierungsgesetz wird kommen, schließlich hat der Europäische Gerichtshof Deutschland schon dazu verurteilt. Allerdings würde eine CDU/FDP-Koalition nur noch das Nötigste regeln und weiter zulassen, dass Behinderte oder Alte im Privatrecht benachteiligt werden.
Völlig unumstritten zwischen allen Parteien: Ab dem 1. Oktober werden sich die Zuverdienstmöglichkeiten von Langzeitarbeitslosen verbessern. Die ersten 100 Euro würden dann gar nicht mehr auf das ALG II angerechnet; bei 100 bis 800 Euro dürfen vom Einkommen 20 Prozent behalten werden.
Einmütigkeit gibt es auch bei den Managementgehältern. Auch die Union ist dafür, dass die Vorstände von knapp 1.000 börsennotierten Aktiengesellschaften gezwungen werden, ihre Gehälter, Abfindungen und Pensionsansprüche offenzulegen.
Die Union ist zwar dagegen, aber es wird ihr nicht nutzen: Rot-Grün kann allein über die Nebeneinkünfte von Abgeordneten entscheiden – wenn die Regierungsparteien schnell genug sind und ihr Gesetz durch den Bundestag peitschen. Die Abgeordneten müssten ihre Extraverdienste dann künftig in drei Stufen öffentlich machen – ob sie bis zur Hälfte ihrer Diäten von 7.009 Euro betragen, bis zur vollen Höhe oder mehr. Die genaue Höhe würde weiterhin nur der Bundestagspräsident erfahren.
Manchmal sind Gesetze aber einfach nur zwingend: So hat Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) gestern angekündigt, dass das Renten-Entlastungsgesetz noch schnell verabschiedet wird. Die Unternehmen sollen ab 2006 ihre Sozialbeiträge schon am Monatsende zahlen – und nicht erst in der Mitte des Folgemonats. Dieser Finanztrick würde einmalig mindestens 8 Milliarden Euro bringen. Schmidt kann sich nicht vorstellen, dass die Union sich im Bundesrat verweigert – denn das würde die Rentner allzu sehr verärgern. UH, RENI
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