Chinas Bündnispolitik: Auf die falschen Pferde gesetzt

Länger sah sich China auf der Kriegsbühne als Vermittler im Sinne Russlands und der Palästinenser. Doch daran kommen in Peking jetzt Zweifel auf.

Nach der Unterzeichnung der Beijing Declaration am 23. Juli in Peking Foto: Pedro Pardo/reuters

Die Logik scheint zunächst schlüssig: Das politische Peking war stolz darauf, vor Kurzem zwischen Hamas und Fatah eine „Beijing Declaration“ eingefädelt zu haben. China sonnte sich in der Rolle als Vermittler im Nahost-Konflikt und als ein unbeirrbarer Unterstützer des palästinensischen Volkes.

Doch nur wenige Wochen später wurde der politische Kopf der Hamas, Ismail Haniyeh, in Teheran ermordet. Schnell brachte die radikale Hamas mit Jahia Sinwar einen noch entschlosseneren Heiligkrieger in Position. Ein jüdischer Intellektueller kommentierte dazu: Die Beijing Declaration sei „weniger Wert als das Papier, auf dem sie gedruckt steht.“ Als eine indirekte Bestätigung dieses Kommentars ließ sich die darauf folgende Mitteilung des chinesischen Außenministeriums lesen: Zwar verurteilte es darin Attentate als politisches Mittel. Die sonst zu lesende Formel, dass man die gerechte Sache des palästinensischen Volkes unterstütze, verschwand allerdings spurlos.

Hinter vorgehaltenen Händen beginnt in China eine Diskussion darüber, welche Konfliktparteien man in den aktuell herrschenden Kriegen weshalb und wie weit unterstützen solle. Auch in Hinblick auf die Ukraine scheinen sich plötzlich Dinge zu ändern. Unter Mithilfe des Goethe-Instituts veranstaltete China in Peking zuletzt eine ukrainische Filmwoche, um den guten Willen gegenüber dem ukrainischen Volke zu demonstrieren. Die sonst gepriesene Unterstützung für Putins „militärische Sonderaktionen“ gegen die Nato-Osterweiterung? Nach ihr muss man als Formulierung nun mit dem Vergrößerungsglas durch die KP-Dokumente fahnden. Dabei schien die Bande zu Russland nahezu sakrosankt.

In den offiziellen Medien etwas versteckter als auf den sozialen Kanälen im Internet fragt man sich: Wenn wir wüssten, dass wir die Russen unterstützen, nicht etwa, weil sie gerechte Dinge täten, sondern weil wir ohne sie allein gegenüber dem Westen stehen müssten – was für ein Sinn hätte das noch, wenn die Russen unter Putin immer wieder versagen? Stünden wir nicht viel isolierter da, dazu viel verhasster im Westen? Mit dem Vormarsch ukrainischer Truppen nach Russland verstärkt sich der Zweifel zusätzlich. Im Spiegel solcher Fragen lässt sich die Filmwoche für die Ukraine als plötzliche Versöhnungsgeste verstehen: Lieber den Richtigen unterstützen als dem Versager hinterherlaufen.

Das Stillhalten Irans macht es China derzeit nicht einfacher

So oder so ähnlich verläuft die Diskussion auch in puncto „gerechte Sache des palästinensischen Volkes“. Bis auf die „Abscheu“ gegenüber Attentätern herrscht Funkstille hinsichtlich der „gerechten Sache“ Palästinas. Die Stille wird bedrückender, je länger der Iran sich in Schweigen hüllt und die Welt nicht wissen lässt, wann er den angedrohten massiven Vergeltungsschlag für den getöteten Hamas-Führer ausführt. Kommt er überhaupt und wenn ja: in welcher Form und mit welchen Konsequenzen für China? Anders gesagt: Würden wir Chinesen auch diesmal wieder auf das falsche Pferd gesetzt haben, um mit leeren Händen noch unbeliebter dazustehen?

Nun lässt sich die Logik des chinesischen Wettverhaltens einfach erklären: Jeder Konflikt in der Welt, der dazu beiträgt, den Blick des gefürchteten Westens von China wegzulenken, ist willkommen und sollte sich deshalb mit chinesischer Hilfe in die Länge ziehen. So läuft es in der Ukraine genauso wie im Nahen Osten. Die Frage lautet nur: Beschäftigen wir uns mit den richtigen Konflikten und können wir dort mit dem passenden Wetteinsatz auf den richtigen Gewinner tippen? Wie viel mehr zahlen wir, wenn wir uns ein ums andere Mal verkalkulieren?

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