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Bautzen und die Frage, worauf es ankommtMut und Liebe

Es gibt wichtigeres, als die Liebe privat zu halten. Wenn man den Hass sieht, den ein CSD wie in Bautzen begleitet, muss man raus, sagt unsere Kolumnistin. Und lieben.

Trostloses Einerlei gegen buntes Leben in Bautzen beim CSD Foto: Sebastian Willnow/picture alliance/dpa

L iebe ist ein Geschenk, auf jeden Fall. Anders auch nicht zu bekommen. Ich habe die Tage meine private Liebe verloren, aber vielleicht wird diese private Liebe zu hoch eingeschätzt. Es ist ja immer etwas Selbstsüchtiges dabei, wenn wir privat lieben. Meist wollen wir zurückgeliebt werden. Bei Kindern gelingt das leichter. Kinder können einfach nicht anders, sie müssen ihre Eltern lieben, so lange sie klein sind, das ist ihr Schicksal. Wenn wir unsere Kinder lieben, dann ist das eine sichere Bank. Wir geben und nehmen, ein ausgeglichenes Geschäft.

Meine Tage waren also nicht so schön, August ohne Wärme, und ich schaue mir zur Ablenkung das Internet an, was in Bautzen so los ist, zum Beispiel, das macht die Tage nicht schöner. Ich soll mir was Schönes angucken, schöne Dinge machen, mich wieder selbst mehr lieben, zu mir finden (sagt meine Schwester), ich sehe mir lieber das Internet an, was auch nicht wärmer ist, nicht wärmer als mein August.

Menschen zu lieben, ganz allgemein, Menschen auf der Straße, in ihren Häusern, bei ihrer Arbeit, diese ganzen verschiedenen, alltäglichen, öffentlichen und privaten Menschen, gelingt mir schlecht. Oft kommen sie mir dumm vor, hässlich, böse. Oft kommen mir diese ganzen Menschen unerträglich vor und ich kann sie dann nicht mehr ertragen und ziehe mich zurück, in meine Kammer, wo ich sie nicht sehen muss. Dann habe ich keine Hoffnung mehr für die Welt und für mich. Das ist kein gutes Leben. Es lohnt nicht, so zu leben.

Ich darf mich nicht nur um mich selbst drehen, ich muss mich mit der Welt drehen und mich an sie verschenken

Manchmal aber überkommt es mich. Manchmal sitze ich wo draußen, der Abend senkt sich über die Häuser, Müdigkeit breitet sich aus, Schönheit überschwemmt die Stadt, sitzt in den Gesichtern der müden Menschen, und da überkommt es mich, ich liebe sie, alle diese Menschen, deren müde Gesichter ich sehe, deren verzweifelte Anstrengung, weiterzuleben, liebe ich. Es hält nicht lange an, einen Moment nur, aber es ist da, es ist stark und es ist da.

Es ist wichtig. Es ist wichtiger als meine private Liebe. Ich muss dieses Gefühl in mein Handeln übersetzen, ich muss Gutes tun, Selbstloses, ich muss verzeihen, sonst kann ich in dieser Welt nicht gut leben, ich darf mich nicht nur um mich selbst drehen, ich muss mich mit der Welt drehen und mich an sie verschenken. Das ist meine Aufgabe, das ist mein Sinn.

Hass und Gewalt

Das Internet zeigt mir den Hass in Bautzen, der mich verstört, der mich zu Tode ängstigt, wenn ich diese Gesichter sehe, die kaum ­etwas anderes enthalten als Hass, als Gewalt. Wie kann ich diese Gesichter lieben? Das ist die große Frage. Ich kann es nicht. Sei mal e­hrlich, Katrin – du kannst es nicht. Du bist nicht ­Jesus. Ich bin nicht Jesus. Ich bin nur gerade bis obenhin voll mit nutzloser Gefühligkeit.

wochentaz

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In Bautzen haben sie den Christopher-Street-Day gefeiert oder zelebriert oder begangen. Ich war noch nie auf einem CSD. Warum nicht? Weil ich heterosexuell bin? Fühle ich mich nicht zuständig oder zugehörig? Meine lesbische Freundin hat mir ein Bild aufs Handy geschickt, von sich auf dem CSD in Hamburg, sie sieht schön aus, glücklich.

In Bautzen sind ungefähr eintausend Menschen auf die Straße gegangen, um ihren eigenen CSD zu feiern, sich, die Liebe, die Zuversicht. Es sind ein paar mehr gewesen, als die, die gegen sie gehasst und gedroht haben. Aber nicht so viele mehr.

Deswegen kommt es jetzt vielleicht darauf an, auf mich, auf uns, dass wir rausgehen und lieben. Mut und Liebe.

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