Tod des Schauspielers Alain Delon: Weniger Engel als Bandit

Der jüngst verstorbene Schauspieler Alain Delon sah nicht nur gut aus, sondern war auch höchst kontrovers. Als Männlichkeitsideal ist er passé.

Alain Delon in „Joy House“, 1964 Foto: Everett Collection/imago

Schön war er. In dem Punkt herrscht in den Nachrufen zum Tod des französischen Schauspielers Alain Delon Einstimmigkeit. Und was das Magazin Le Nouvel Obs zu diesem „Film eines Lebens“ schreibt, trifft zumindest für die ersten Nachkriegsgenerationen zu: Welcher Knabe oder Mann habe nicht davon geträumt, wenigstens 15 Minuten auszusehen wie Alain Delon, schön wie ein Engel und ein Bandit, verführerisch, aber auch bedrohlich?

Ohnehin ist Schönheit halt ein trügerischer und mit der Geschichte schwankender, sich mit neuen Ansichten und Erkenntnissen ändernder Begriff, was schon so manchen Nationalheiligen vom Sockel gefegt hat. Alain Delon war schon zu seinen Lebzeiten nicht unumstritten. Bei allem Respekt für ein beachtliches Filmwerk wird die Nachwelt nicht nachsichtiger sein als die Kritik der letzten zwei, drei Jahrzehnte. Zu viel tönt heute in den Nachrufen nostalgisch, dabei ist Delon als Symbol gelinde gesagt passé.

Mehr als jeder andere Filmheld der 50er, 60er und 70er Jahre verkörpert Delon, was man in Frankreich wegen der Zweideutigkeit und Widersprüchlichkeit einer solchen Ikone ein „monstre sacré“ mit nennt. Er war der Letzte dieser Kategorie.

Ein „monstre sacré“

In einer journalistischen Verkürzung könnte man Delon mit Brigitte Bardot auf dieselbe Stufe stellen: Was „BB“ in ihrer Zeit als Filmstar als weibliches Schönheits- oder Sexsymbol darstellte, war Delon als Ikone einer Virilität, die uns heute ebenso überholt bis irritierend vorkommt. Dank jahrzehntelanger (vorab feministischer) Kämpfe und Diskussionen über Geschlechter, Rollen, Rechte und Maßstäbe sind beide als eventuelle Vorbilder völlig passé. Der Tod von Alain Delon ist auch ein Anlass, sich dessen bewusst zu werden. Nein, heute ist das kein Wunschtraum, als Leinwand-Macho wie Delon bewundert und beneidet werden zu wollen!

Die von ihm versinnbildlichte Männlichkeit war nicht bloß eine Filmrolle. Delon räumte gern ein, dass er vor allem den Start seiner Schauspielerkarriere ausschließlich den Frauen verdankte, die ihn liebten. Er sagte aber später auch, es sei ihm egal, als (gewaltsamer) Macho zu gelten, wenn Ohrfeigen zu geben „machistisch“ sei. Sein jüngster Sohn, Alain-Fabien, beschuldigte ihn 2013, seiner Mutter Rosalie Van Breemen die Nase und acht Rippen gebrochen zu haben.

Das passt nicht zum Fan-Foto des romantischen Liebhabers an der Seite von Romy Schneider, überrascht aber auch nicht, da die Schattenseiten des verehrten Stars von Beginn bekannt waren und mitprägend zu seinem Image eines „bad boy“ gehörten. Er brüstete sich mit seinem Erfolg als Verführer und seinen zahllosen „Affären“. Als er als Soldat aus dem Kolonialkrieg in der ehemaligen französischen Kolonie Vietnam zurückkehrte, sei er ein „Voyou“ (kleiner Gauner) gewesen, der, statt in den Film zu gehen, genauso gut hätte Zuhälter werden können.

Zutiefst homophob

Delon scheint sein Leben lang eine gewisse Bewunderung für die wirklichen Banditen und Schurken gehabt zu haben, die er fürs Kino bloß imitierte. Bei einer aus Sicherheitsgründen angeordneten Hausdurchsuchung fand die Polizei in Delons schweizerischem Domizil Douchy 72 Feuerwaffen und 3.000 Patronen. Fasziniert war Delon, der sich politisch immer als „konservativ“ verstanden hat, auch vom Rechtsradikalen Jean-Marie Le Pen, dessen Ideen er weitgehend geteilt und den er ab den 80er Jahren als persönlichen Freund bezeichnet hat. Auch in diesem Punkt gibt es Parallelen zu Brigitte Bardot, die in ihrer zweiten Lebenshälfte nach dem Film im Sumpf der rassistischen Rechten landete.

Delon war auch zudem zutiefst homophob, er war 2014 aktiv an der Kampagne gegen die Legalisierung der „Ehe für alle“ beteiligt. Für einen Großteil der Mitbürger*innen, die ihn als Protagonisten auf der Leinwand bewundert hatten, ging damit etwas definitiv zu Bruch. Nun ist er tot.

Wegen der Devise „De mortuis nil nisi bene“ muss indes nicht alles, was Abneigung auslöst, unter den Tisch gewischt werden. Alain Delon war gewiss in den rund 100 Filmen der bekanntesten Regisseure einer der besten Schauspieler seiner Zeit. Das waren jedoch stets Rollen und nicht der Delon als Mensch mit den immer wieder störenden Flecken auf dem für das Publikum bestimmten Bild.

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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