Geschlechterunterschiede bei Olympia: Leider immer noch kein Bruch

Bei Olympia müssen sich Sportlerinnen Tests zur Geschlechtsüberprüfung unterziehen. Bei den Männern fragt niemand nach körperlichen Vorteilen.

Breakdancer in Paris auf einem öffentlichen Platz.Die Männer tragen rote Hosen und schwarze Shirts und tanzen athletisch

Die Wettkämpfe bei Breaking werden bei den olympischen Spielen auch nach Geschlechtern getrennt durchgeführt Foto: Angel Adams/picture alliance

Breaking ist seit 2024 offiziell Teil der Olympischen Spiele. Nach einem Debüt bei den Olympischen Jugend-Sommerspielen 2018 zählt die Tanzform der Hip-Hop-Bewegung nun zu den neuen Disziplinen, die dieses Jahr eingeführt wurden.

Während also zum ersten Mal eine Tanzsportdisziplin bei den Spielen dabei ist, hat sich an anderer Stelle wenig verändert. Im Gegensatz zu Streetdance Battles, bei denen Tän­ze­r:in­nen aller Geschlechter gegeneinander antreten, ist Breaking bei Olympia in alter Tradition in Frauen- und Männerkategorien unterteilt.

Mit Blick auf das Internationale Olympische Komitee (IOK) mag das absehbar oder einfach langweilig wirken. Das Problem ist allerdings weitaus fundamentaler. Denn der Frauen-Kategorie kommt nach wie vor eine besondere Rolle zu. Nur hier ordnet das IOK Tests zur Geschlechtsüberprüfung an.

Diese Tests sind so normalisiert, dass ihre invasive Größenordnung kaum hinterfragt wird und ihre sexistische, entwürdigende Geschichte nicht dazu führt, das Verfahren grundsätzlich infrage zu stellen. Besonders betroffen sind Sport­le­r:in­nen mit „hohen“ Testosteronwerten, trans und inter Sportler:innen.

Männer werden anders behandelt

Sportler:innen, die in der Männer-Kategorie antreten, werden in ihrem Sport nicht mit Bluttests, Tastkontrollen oder gynäkologischen Zwangsuntersuchungen belästigt. Sie werden nicht zur Testosteron-Reduzierung gezwungen, um angebliche Leistungsvorteile zu vermeiden, und auch nicht zu OPs gedrängt.

Das bemerkenswerte Track ­Record des Schwimmers Michael „Flying Fish“ Phelps ist ein gutes Beispiel für diesen Widerspruch. Phelps wurde für die große Flügelspannweite seiner Arme bewundert. Auch dass sein Körper im Vergleich zu anderen Sport­le­r:in­nen weniger Milchsäure erzeugt, die Muskeln zu Ruhepausen zwingt, galt schlicht als gegeben. Weder das IOK noch der Leichtathletik-Weltverband World Athletics erwarteten von ihm, dieses körperliche Merkmal medikamentös zu verändern.

Hinter dem Senkungszwang, der der Frauen-Kategorie vorbehalten ist, steckt die Idee, eine Frau könne „zu schnell“ sein, ein Mann nicht. Die Versuchung ist groß, Beispiele wie Diana Nyad heranzuziehen, der einzigen Person, der es jemals gelang, ohne Haikäfig von Havana, Kuba, nach Key West in Florida zu schwimmen.

2013 legte die damals 64-Jährige die Distanz von 110 Meilen zurück. Wir könnten Nyad anführen, um zu argumentieren, dass Frauen gegenüber Männern „gewinnen“ würden, wenn wir nicht Schnelligkeit oder Muskelkraft im Sport messen würden, sondern Zähheit, Schmerztoleranz und Ausdauer.

Aber was bringt dieses ewige Überlegenheitsspiel? Die feministische Gretchenfrage der Differenz und Gleichheit – wir werden sie nicht lösen können. Sozialisierung, die Konditionierung von Körpern und deren Lesart finden nie im luftleeren Raum statt. Vergleichbarkeit und Fairness ließen sich genauso nach Trainingsbedingungen, Muskelmasse, Körpergröße, Armspannweite oder Gewicht herstellen – was als Maß gilt, ist immer gesellschaftlich geprägt.

Dringender ist die Frage, welchen Anteil die Überwachung von Geschlechtsunterschieden im Sport an der gesellschaftlichen Investition in die Zweigeschlechterordnung hat, an deren Grenzen der Sport selbst ständig stößt – und wer den Preis für die Trennung nach Geschlecht zahlt.

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Redakteur:in für Kunst in Berlin im taz.Plan. Alle 14 Tage Kolumne Subtext für taz2: Gesellschaft & Medien. Studierte Gender Studies und Europäische Ethnologie in Berlin und den USA und promovierte an der Schnittstelle Queer-Theorie, abstrakte Malerei und Materialität. Als Künstler:in arbeitet Molitor mit Raum, Malerei und Comic. Texte über zeitgenössische Kunst, Genderqueerness, Rassismus, Soziale Bewegungen.

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