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Dagegen ist ein Kraut gewachsen

NACHWACHSENDE HEILMITTEL Kräuter, aus denen sich Salben, Tinkturen und Tees herstellen lassen, wachsen gleich nebenan in der Natur

Ein schöner Nebenaspekt: Kräuter tragen zur Geschmacksdifferenzierung bei

VON VOLKER ENGELS

Wenn Kristin Peters sich auf den Weg in Felder, Wiesen und Wälder macht, hat sie häufig einen Beutel dabei, in denen sie die gesammelten Kräuter verstaut: „Im Moment wächst Brennnessel, die bei der Blutreinigung hilft“, erzählt die Naturheilkundlerin, die sich seit 1986 mit Heilpflanzen beschäftigt und unter anderem in Berlin Ausbildungen und Kräuterwanderungen anbietet (www.kristin-peters.de). Zudem sei die Brennnessel gut für die Harnwege, Blase und Niere. „Aber auch das Bindegewebe profitiert davon, wenn aus den Blättern Tees oder Salate zubereitet werden.“ Denn neben Vitaminen und Mineralstoffen enthält die Brennnessel unter anderem Kieselsäure. Was Garten oder Balkonbesitzer oft die Sorgenfalten auf die Stirn treibt, erfreut Kräuterkundige wie Kristin Peters: der Giersch, oftmals als wucherndes Unkraut verkannt. „Das Kraut gilt seit Jahrhunderten als Heilmittel bei Rheuma und Gicht.“ Das „Zipperleinskraut“, so der volkstümliche Name, enthält Vitamin C, Kalium und Eisen.

Eine „unterschätzte Heilpflanze“ sei der Löwenzahn, dessen leuchtend gelbe Blüten nicht nur Bienenvölkern als Delikatessenladen dienen: „Er enthält wichtige Bitterstoffe, die unter anderem die Bauchspeicheldrüse sowie das Herz und das Immunsystem stärken“, sagt die promovierte Agrarwissenschaftlerin. Nutzen lassen sich nicht nur die Blätter, auch die Blüten dienen als Ausgangsstoff für Gelees oder Liköre. Die gekochte Wurzel ergibt eine gesunde und schmackhafte Beilage. Die Knoblauchrauke oder die Schafgarbe bereichern Salate und beinhalten ebenfalls gesundheitsfördernde Bitterstoffe. Diese seien heute aus der Nahrung fast verschwunden, obwohl schon die Altvorderen um deren positive Wirkungen wussten: „Sie regen den Stoffwechsel an und helfen dem Körper, Mineralstoffe und Spurenelemente aufzunehmen.“

Heilkräuter lassen sich übrigens nicht nur in Tees, Tinkturen oder Salaten verwenden: „Räuchern ist eine uralte Anwendung, mit der man sich die Heilwirkung auf sanfte Art zunutze machen kann.“ Einige dieser Heilkräuter stehen übrigens unter dem Namen „Gewürze“ in den meisten Küchenregalen.

Für Peter Grimm, Geschäftsführer der baden-württembergischen Sektion der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), haben Kräuter vor allem eine wichtige Funktion, um Salz im Essen zu reduzieren. „Wird Salz durch Kräuter ersetzt, hat das nachweislich positive Wirkungen, weil Salz den Blutdruck erhöht.“ Außerdem tragen Kräuter bei „Erwachsenen und Kindern zu einer Geschmacksdifferenzierung bei“, sagt der Ernährungswissenschaftler, der auch eine Professur an der Universität Hohenheim innehat. Geschmacksverstärker wie Glutamat seien inzwischen „auf dem Rückzug“. Kräuter könnten helfen, ohne diese Inhaltsstoffe Geschmack ins Essen zu bringen. Dafür, dass die sekundären Pflanzenstoffe von Kräutern gesundheitsfördernde Wirkungen haben, gebe es zwar viele Belege. „Breit angelegte Studien über einen langen Zeitraum liegen aber bisher nicht vor.“

Das Wissen um die Heilkraft von Kräutern ist nicht alleine die Folge moderner Forschung. Schon die mittelalterliche Äbtissin Hildegard von Bingen hat sich intensiv mit mehr als 230 Pflanzen beschäftigt. Kristin Peters, die im Mai in Berlin einen Hildegard-von-Bingen-Kongress veranstaltet, fasziniert die Zeitlosigkeit der Nonne: „Dass Lebensmittel zugleich auch unsere Heilmittel sein sollen“, habe die kräuterkundige Nonne schon im 12. Jahrhundert postuliert. Dieser Aspekt, sagt Peters, sei heute noch sehr modern.

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