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Rechte Gewalt in HamburgDie Hemmschwelle sinkt

Die Hamburger Beratungsstelle für rechts-motivierte Gewalt dokumentiert für 2023 zwei bis drei Vorfälle am Tag. Ein Drittel mehr als im Vorjahr.

Hamburg inszeniert sich gerne als jüdisch-christlich und multikulturell. Rassistische Vorfälle gibt es trotzdem Foto: Marcus Brandt/dpa

Hamburg taz | Das Projekt Empower hat im vergangenen Jahr in Hamburg 993 rechte, antisemitische und rassistische Vorfälle dokumentiert. Das waren 32 Prozent mehr als im Vorjahr und im Schnitt zwei bis drei Vorfälle pro Tag. Seit 2020 sind kontinuierlich mehr Fälle erfasst und ausgewertet worden. Den größten Anteil machten 2023 rassistische Gewalttaten aus (348), hinzu kommen 282 antisemitische Vorfälle. Weitere 50 Taten richteten sich gegen die sexuelle Orientierung der Angegriffenen und knapp 250 Vorfälle können mehreren Kategorien gleichzeitig zugeordnet werden.

Die Beratungsstelle Empower ist ein mehrsprachiges Angebot, das sich an Gewaltopfer, der Angehörigen und Zeu­g*in­nen richtet. Sie ist Teil des bundesweiten Verbandes der Beratungsstellen gegen rechte Gewalt (VBRG) und gehört zum Träger Arbeit und Leben Hamburg. Den jetzt vorgelegten Bericht hat das Bundesfamilienministerium zusammen mit der Hamburger Sozialbehörde finanziert.

Die Zahlen von Empower sind zivilgesellschaftliches Monitoring und liegen höher als die erfassten Fälle der Strafverfolgungsbehörden. Denn Empower dokumentiert auch Fälle, die unterhalb der strafrechtlichen Grenze liegen, beispielsweise politische Beleidigungen.

Die steigenden Zahlen fügen sich in einen bundesweiten Trend ein, es gibt jedoch einige hamburgspezifische Phänomene. Projektleiterin Nissar Gardi weist darauf hin, dass Hamburg sich häufig als christlich-jüdische Stadt präsentiere, in der es deshalb vermeintlich weniger Antisemitismus gäbe. „Außerdem sei man so multikulturell, da hat Rassismus angeblich keine Chance“, so Gardi.

Nicht so wie im Osten

„Erschwerend kommt hinzu, dass es in den meisten Institutionen keine Opferschutzkonzepte gibt, die Sensibilität für den Umgang mit den Ideologien nicht vorhanden ist.“ Die Praxiserfahrungen zeige, dass in Institutionen Vorfälle häufig verharmlost werden auch mit Verweis darauf, dass die Situation beispielsweise im Osten deutlich schlimmer sei. Anders als in einigen ostdeutschen Bundesländern seien zivilgesellschaftliche Projekte gegen rechts in Hamburg spät gefördert worden.

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