Neue Koalitionsregierung in Südafrika: Ramaphosa setzt auf Vielfalt
Präsident Ramaphosa bildet ein Kabinett mit Ministern aller Farben und politischen Schattierungen. Schillernde Figuren dürften für Wirbel sorgen.
Wochenlanger Postenstreit wurde nun durch die Bildung des größten Kabinetts in Südafrikas Geschichte entschärft. 75 Minister- und stellvertretende Ministerposten gibt es, viele davon mit Aufgabenbereichen, die sich tendenziell überschneiden.
So wird der prominenteste weiße Politiker, John Steenhuisen, Führer der größten Oppositionspartei DA (Democratic Alliance), Landwirtschaftsminister – aber Mzwanele Nyhontso vom linksradikalen PAC (Panafricanist Congress), der nach eigenen Angaben in der Regierung die „revolutionäre Agenda des Befreiungskampfes“ vorantreiben will, übernimmt das Ministerium für Landreform und ländliche Entwicklung. Die Zeitung Daily Maverick bezeichnet die Kombination dieser beiden Minister als „entweder inspiriert oder zutiefst machiavellistisch“. Beide haben ANC-Stellvertreter.
Die DA als wichtigster Koalitionspartner des ANC übernimmt sechs Ministerien und sechs Stellvertreterposten, mehr als jede andere Partei außer dem ANC selbst. Neben Landwirtschaft stellt die Partei die Minister für Bildung, digitale Technologie, Umwelt, Inneres und Infrastruktur. Damit lässt sich einiges bewirken. Der neue DA-Innenminister Leon Schreiber veröffentlichte 2018 ein Buch mit dem prophetischen Titel „Coalition Country“ über „Südafrika nach dem ANC“, dessen Werbetext lautet: „Der ANC regiert Südafrika seit über zwei Jahrzehnten, aber sein eiserner Griff lockert sich … Wenn der ANC unter 50 Prozent fällt, wird sich die politische Landschaft dramatisch verändern: wir werden von einer Koalition regiert werden, und alle werden die Konsequenzen spüren.“
Rückkehr nach fast 30 Jahren
Zwei schillernde Figuren dürften die Kabinettssitzungen lebendig halten. Neuer stellvertretender Verteidigungsminister ist Bantu Holomisa, zu Apartheidzeiten Premierminister des schwarzen „Homelands“ Transkei – das weiße Apartheidregime richtete in ärmeren Landstrichen eine Reihe von Marionettenstaaten ein, in die Südafrikas Schwarze langfristig alle zwangseingebürgert werden sollten, und Transkei war der erste und größte davon.
Holomisa wechselte beim Ende der Apartheid zum ANC und wurde in der ersten ANC-Regierung Vizeumweltminister, aber 1996 wurde er hinausgeworfen und gründete seine eigene Partei UDM (United Democratic Movement). Fast dreißig Jahre später kehrt er nun an den Kabinettstisch zurück.
Noch schillernder ist Gayton McKenzie, der neue Sport- und Kulturminister. McKenzie wurde als Minderjähriger zum Bankräuber, saß 17 Jahre im Gefängnis, mutierte nach seiner Freilassung zum Bestsellerautor und gründete 2013 die Kleinpartei PA (Patriotic Alliance), die vor allem gegen Einwanderer hetzt. Von 0,04 Prozent bei den Wahlen 2019 verzwanzigfachte die PA ihre Stimmen in diesem Jahr auf über 2 Prozent – nun bekommt ihr Führer einen Posten mit sensiblen Außenkontakten.
Eine dritte kuriose Personalie ist Gefängnisminister Pieter Groenewald. Er führt die Partei FF+ (Freedom Front Plus), einst gegründet von weißen Apartheidbefürwortern, die das Ende der Rassentrennung ablehnten; inzwischen sieht sie sich als Interessenvertretung konservativer Buren im ländlichen Raum. Sein Vorgänger Ronald Lamola hatte als ANC-Justizminister maßgeblich Südafrikas Völkermordklage gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag vorbereitet – er wird nun zum Außenminister befördert, der profilierteste Posten neben dem des Präsidenten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“