Krisen-Analyse der Grünen: Opfer der Agenda

Bei vielen Themen sind die Grünen in der Defensive und können derzeit nichts dafür. Aber an ihrer Verkaufstechnik sollten sie dann doch mal arbeiten.

Ricarda Lang, Terry Reintke und Omid Nouripour

Lange Gesichter bei den Grünen nach den ersten Hochrechnungen bei der Europawahl am 9. Juni Foto: Christoph Soeder/dpa

Fertig sind die Grünen offenbar noch nicht mit ihrer Analyse der Europawahl und der eintrudelnden Umfragewerte. „Geht raus und redet mit den Leuten, aber hört ihnen vor allem erst einmal zu“ – so in etwa lautet das Fazit der Grünen-Basis-Videoschalte mit den beiden Parteivorsitzenden am Mittwochabend – ist schon fast peinlich richtig-wichtig. Aber es ist noch keine Strategie.

Die 11,9 Prozent im Juni bei der Europawahl waren mau, die Forsa- und Insa-Werte dieser Woche noch schlechter. Und in Richtung der Landtagswahlen im September sieht es auch nicht gut aus – wenn auch in zwei von drei Fällen sogar über 5 Prozent, hui.

Wobei die Grünen bei allen Fehlern, die sie gewiss schon gemacht haben, erst einmal Opfer einer europäischen Agenda sind, die andere, größere Kräfte gesetzt haben: Krieg und Migration. Das grüne Gewinnerthema Klima steht dahinter zurück. Das ist beklagenswert, aber von einer kleinen Partei allein nicht zu ändern. Der klare Pro-Ukraine-Kurs, der die Grünen beim Kriegsthema auszeichnet, geht ihnen beim Migrationsthema jedoch ab. Auch das ist nichts, was die Grünen exklusiv verbockt haben.

Es ist für eine Partei mit universell-menschenrechtlichem Anspruch derzeit schlicht unmöglich, sich gegen den Grenzen-zu-Kurs des Mitte-rechts-Lagers zu behaupten. Hat sich der Eindruck eines „Zuviel“ der Migration erst verfestigt – und das ist in Deutschland der Fall –, werden im öffentlichen Streit immer diejenigen gewinnen, die ein „Weniger“ versprechen. Für abwägende Standpunkte ist erst wieder Platz, wenn vor allem CDU/CSU aufhören, Asyl und Migration als Einheiz-Material zu verwenden, und ihrerseits die Komplexität der Sache zugestehen.

Bis dahin bleibt den Grünen gar nichts anderes übrig, als an ihren Gesprächs-, sprich Verkaufstechniken vor allem gegenüber nicht-akademischen Wählerschichten zu arbeiten. Robert Habeck immerhin verfügt darüber. Auf ihn als Spitzenkandidaten zu setzen, ist darum jedenfalls keine falsche Idee.

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Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.

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