Kunstschau „Ornamenta“: Unan­ge­nehme Nähe

Die „Ornamenta“ im Schwarzwald verwebt freie Kunst und Industrie. Das ist nicht neu, aber mit Hinblick auf Debatten um Kulturförderung hinterfragbar.

Menschen stehen zwischen Stoffbahnen

Ornamenta 2024 in Pforzheim: Harald Glööckler und Laura Halden-Hoppenheit bei einer Bindungszeremonie Foto: Karolina Sobel/action press

Kürzlich eröffnete im Nordschwarzwald die Kunstschau „Orna­menta“. Sie soll fortan alle fünf Jahre stattfinden und zeigt Kunst und Designobjekte an wunderbar abseitigen Orten. „Ornamenta“, das klingt nach documenta fürs Kunsthandwerk. Und ein bisschen ist es das auch. Das Ausstellungsprojekt wurde 1989 von der damals einbrechenden Pforzheimer Schmuckindustrie ins Leben gerufen.

Auch jetzt sind sich in der Neuauflage der „Ornamenta“ Industrie und Kunst unangenehm nahe. Auf einem Platz im Dörfchen Nagold platziert die Schriftgestalterin Charlotte Rohde eine Sonnenuhr, hergestellt vom örtlichen Unternehmen ­Perrot, das auch die Turmuhr der gigan­toma­nen Big-Ben-Kopie in Mek­ka herstellte. Im Reuchlin-­Mu­seum stellt Designerin Nan­na Doll goldene Gesichtsspangen aus, angefertigt sind sie von einer Firma für kieferorthopädische Produkte.

Angewandte Kunst wird für einen Markt und die Industrie gemacht, doch die „Or­na­menta“ zeigt auch immer wieder freie Kunst. Wenn etwa Künstlerin Wiktoria Woj­cie­chow­ska in einem neobarocken Thermalbad dazu auffordert, zur Entspannung mal das eigene Handy abzulegen, und als Alternative einen Dummy aus Kristallgestein anbietet, dann wird man sich kurz der eigenen Medien- und Objektabhängigkeiten bewusst. Ein psychologisches, auch performatives Moment, das doch standesgemäß die freie Kunst herausarbeitet.

Die documenta, mit der sich die „Ornamenta“ schon dem Namen nach vergleicht, zeigte auch mal Design. 1964 ließ Arnold Bode in Kassel Produkte der Firmen IBM und Braun ausstellen. Doch solch eine klare Verbindung von Industrie und Kunst hat sich in den letzten Jahrzehnten bei groß angelegten Ausstellungsprojekten institutionell eher aufgelöst.

Möglichst frei und ungebunden

Die Findungskommission der documenta ist etwa als eine autonome Instanz eingerichtet worden, um in ihrem Auswahlprozess für eine künstlerische Leitung eine freie Kunst eben möglichst frei bleiben zu lassen, ungebunden von politischen und wirtschaftlichen Interessen.

Auch Unternehmen greifen bei Förderung und Sponsoring von Kunst selten in ihre Inhalte ein, wenn sie Kunstpreise ausloben oder Ausstellungshäuser stiften. Die eigentlichen Unternehmensaktivitäten sind dann häufig gar nicht mehr kenntlich, was ihnen auch den Vorwurf des art washing einbringt. Bei der „Ornamenta“ hingegen kann selbst die freie Kunst zu einem Firmenprodukt werden.

Es wird gerade viel über die Rolle der freien Kunst in der Kulturförderung diskutiert. Ein Verständnis von ihr als Ausführgehilfe der Industrie sollte sich dabei besser nicht verbreiten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.