Entscheidung über EU-Spitzenpersonal: Hoffen auf Kontinuität

Die EU-Staats-und Regierungschefs wollen Ursula von der Leyen für den Posten der Kommissionspräsidentin. Im Parlament fehlen allerdings Stimmen für sie.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen spricht auf einer Medienkonferenz während eines EU-Gipfels am 28.6.2024.

Die Europäische Union setzt auf Kontinuität: Ursula von der Leyen soll Präsidentin der EU-Kommission bleiben Foto: Geert Vanden Wijngaert/ap

BRÜSSEL taz | Angesichts wachsender geopolitischer Spannungen und großer Sorgen wegen der Wahlen in Frankreich und in den USA setzt die Europäische Union auf Kontinuität. Ursula von der Leyen soll Präsidentin der EU-Kommission bleiben, entschieden die 27 Staats- und Regierungschefs der Union am Donnerstagabend bei einem Gipfeltreffen in Brüssel. Auch der „Green Deal“ soll weitergeführt werden – wenn auch abgeschwächt und mehr im Sinne der Industrie.

Von der Leyen wurde für eine zweite Amtszeit nominiert. Sie muß allerdings noch vom Europaparlament bestätigt werden. Ob das klappt, ist unklar, da offenbar noch rund 50 Stimmen für ihre Wiederwahl fehlen. Die EU-Gipfel soll künftig der sozialistische Portugiese António Costa leiten, als Außenvertreterin wurde die liberale Estin Kaja Kallas nominiert. Italien und Ungarn haben dieses Personalpaket jedoch nicht mitgetragen.

Italiens postfaschistische Regierungschefin Giorgia Meloni hatte sich schon vor dem EU-Gipfel über die europäische „Oligarchie“ beschwert und Änderungen gefordert. Sie konnte sich jedoch ebenso wenig durchsetzen wie der rechtspopulistische ungarische Premier Viktor Orbán. Meloni hat am Donnerstag gegen Costa und Kallas gestimmt und sich bei von der Leyen enthalten. Orbán stimmte gegen von der Leyen.

Der Deal war von sechs Staats- und Regierungschefs vorbereitet worden, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz. Der SPD-Politiker sagte, das Personalpaket respektiere die Wünsche der drei großen pro-europäischen Parteienfamilien (Konservative, Sozialdemokraten und Liberale) und sei regional ausgewogen. Man habe von der Leyen aber auch mit Blick auf die Mehrheitsverhältnisse im neu gewählten Europaparlament nominiert.

Druck auf die EU-Parlamentarier

Dort verfügt die „große Koalition“ aus den drei etablierten Parteien allerdings nur noch über 399 von 720 Sitzen. Wenn wie üblich zehn Prozent der Abgeordneten von der Stange gehen – französische Konservative und italienische Sozialisten haben schon ein „Nein“ angekündigt – wird es eng. Scholz und die meisten anderen EU-Chefs dürften nun Druck auf die Parlamentarier machen, damit bei der Abstimmung im Juli nichts schief geht.

Zugleich hat das Gerangel um die nächste EU-Kommission begonnen. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron will erneut Industriekommissar Thierry Breton nominieren, der als Widersacher von der Leyens gilt. Scholz macht sich dafür stark, dass Sozialkommissar Nicolas Schmit wiederkommt, der sozialdemokratischer Spitzenkandidat bei der Europawahl war. Allerdings hat die Regierung in Luxemburg, die ihn nominieren müsste, andere Pläne.

Auch Meloni fordert einen mächtigen Kommissarsposten. Dies sei der „Preis“ für ihre Enthaltung beim EU-Gipfel, heißt es in Brüssel. Sollte sie nicht zufriedengestellt werden, könnte Meloni die rechtskonservative Fraktion der „Europäischen Konservativen und Reformer“ (EKR) im Europaparlament auf Konfrontationskurs einschwören. Zumindest einige Stimmen der EKR könnten aber für eine Wiederwahl von der Leyens gebraucht werden.

Parteipolitisches Gerangel zeichnet sich auch um die künftige Klimapolitik ab. Scholz und Macron hatten beim EU-Gipfel versucht, den „Green Deal“ fortzuschreiben. Sie konnten sich aber nur teilweise durchsetzen. „Wir werden eine gerechte und faire Klimawende verfolgen“, heißt es in der Gipfel-Erklärung. Betont wird aber auch das „Ziel, weltweit wettbewerbsfähig zu bleiben und unsere Energiesouveränität zu verbessern“.

Beim Klimaschutz habe er sich mehr vorstellen können, sagte Scholz nach dem Gipfel. Nicht akzeptiert habe er gemeinsame Schulden zur Rüstungsfinanzierung und EU-Geld für nationale Verteidigungsprogramme. Diese Themen bleiben jedoch weiter auf der Tagesordnung. Denn für die Waffenhilfe an die Ukraine und die geplante massive Aufrüstung braucht die EU mehr Geld. Von der Leyen sprach von einem Mehrbedarf von 500 Milliarden Euro.

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