Rechtsextreme Polizeichats in Hessen: Ungestraft hetzen in Frankfurt

Frankfurter Po­li­zisten verschickten rechtsextreme Chats. Nun ist klar: Sie müssen nicht vor Gericht. Verband sieht „fatale Signalwirkung“.

Schild am 1. Polizeirevier Frankfurt/Main

Über Jahre wurden hier rechtsextreme Chats gepostet: das Frankfurter 1. Polizeirevier Foto: Hasan Bratic/picture alliance

BERLIN taz | Es waren Chats voller Menschenverachtung. Herablassungen über jüdische Menschen, Schwarze, Mi­gran­t*in­nen und Menschen mit Behinderung, auch Hitlerbilder und Hakenkreuze. All dies posteten fünf Po­li­zis­t*in­nen aus dem 1. Frankfurter Polizeirevier, ab Herbst 2014 in mehreren Chatgruppen, vier Jahre lang. In einer namens „Itiotentreff“ waren es allein 1.600 Nachrichten.

Doch die Beamten werden sich für diese Chats nicht vor Gericht verantworten müssen. Das entschied nun das Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

Die Chatgruppen war nur durch Zufall aufgeflogen: Im Zuge der Ermittlungen der „NSU 2.0“-Drohschreiben gegen die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız, die auch NSU-Opfer vertritt, und weitere Betroffene. Zu Başay-Yıldız wurden auch persönliche Daten ohne Dienstanlass auf dem Frankfurter Revier abgerufen – die später in den Drohschreiben auftauchten. Wer für die Datenweitergabe verantwortlich war, ist bis heute nicht geklärt.

Wegen der Chats aber wurde gegen fünf Polizeibeamte schon im April 2022 von der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main Anklage wegen Volksverhetzung erhoben. Das Landgericht aber hatte eine Eröffnung des Verfahrens abgelehnt: Für eine Volksverhetzung sei ein öffentliches Verbreiten der Inhalte erforderlich – in einer geschlossenen Chatgruppe sei dies aber nicht gegeben. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Beschwerde ein – die nun vom Oberlandesgericht zurückgewiesen wurde.

„Schwer erträgliche Inhalte“
Seda Başay-Yıldız, Anwältin

„Jetzt ist entscheidend, dass es dienstliche Konsequenzen gibt“

Die Beschuldigten hätten zwar „in erheblichem Umfang teilweise nur schwer erträgliche menschenverachtende, rechtsextreme, gewaltverherrlichende, antisemitische, ableistische und rassistische Inhalte geteilt“, erklärte auch das Gericht. Strafbar aber sei dies wegen der privaten Chatgruppen und deren „überschaubarem Personenkreis“ nicht. Für eine Verurteilung wegen Volksverhetzung brauche es eine größere Öffentlichkeit. Die Entscheidung des Landgerichts, den Prozess nicht zuzulassen, sei daher nicht zu beanstanden.

Die Staatsanwaltschaft hatte dagegen argumentiert, dass den Polizeikräften bewusst gewesen sein muss, dass ihre strafbaren Chats auch nach außen dringen könnten – und die Nachrichten damit sehr wohl einen volksverhetzenden Charakter hatten. Der Beschluss des Oberlandesgerichts ist nun aber nicht mehr anfechtbar. Das Gericht vermerkte aber, dass sehr wohl dienstrechtliche Konsequenzen für die Beamten erforderlich seien, da es „erhebliche Zweifel an der Verfassungstreue“ gebe.

Başay-Yıldız fordert Entfernung aus dem Dienst

Seda Başay-Yıldız reagierte ernüchtert. Die Entscheidung habe sich abgezeichnet, sagte sie der taz. „Jetzt ist entscheidend, dass es tatsächlich dienstliche Konsequenzen für die Polizeibeamten gibt, konkret eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis“, so die Anwältin. „Denn eines ist unstrittig: dass die Gesinnung der Polizisten mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar ist.“

Auch der Bundesverband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt sprach von einer „fatalen Signalwirkung“ der Entscheidung. Lisa Gnadl von der mitregierenden SPD sagte, die Entscheidung sei für Verfechter des Rechtsstaats zu respektieren. „Ich erwarte aber, dass die damals Beteiligten disziplinarisch angemessen bestraft werden, bis hin zur Entfernung aus dem Beamtentum.“

Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) erklärte, mit der Entscheidung bestehe nun rechtliche Klarheit in dem Fall – dies gelte es zu respektieren. Bei den Disziplinarverfahren gegen die Polizeikräfte werde nun ein „zeitnaher Abschluss“ angestrebt. „Rassistisches und menschenverachtendes Gedankengut darf in unserer Polizei keinen Platz haben“, so Poseck. Dagegen müsse man „unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten des Rechtsstaats“ vorgehen.

Bereits 2018 waren Disziplinarverfahren gegen die Po­li­zis­t*in­nen eingeleitet worden, die wegen des Strafverfahrens aber ausgesetzt waren. Allen fünf Beamten wurden aber die Dienstgeschäfte verboten, drei wurden inzwischen vorläufig des Dienstes enthoben und von zweien ein Teil der Bezüge einbehalten.

Bundesrat will Strafbarkeitslücke schließen

Poseck und Gnadl forderten zudem, die offenbar gewordene Strafbarkeitslücke zu schließen: Wenn Angehörige des öffentlichen Dienstes sich in Foren verfassungsfeindlich äußerten, müsse dies bestraft werden, ganz gleich, wie groß das Publikum sei. Bereits im Herbst hatte Nordrhein-Westfalen eine entsprechende Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, die auch beschlossen und dem Bundestag zugeleitet wurde. Im Bundestag wurde darüber aber noch nicht beraten, auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) wurde hierzu noch nicht aktiv – was Gnadl „bedauerlich“ nannte.

Gegen zwei der Polizeibeamten aus der „Itiotentreff“-Chatgruppe, Johannes S. und Miriam D., wurde lange auch wegen der „NSU 2.0“-Drohschreiben ermittelt. Vor allem Johannes S. stand unter Verdacht, direkt an der Drohserie beteiligt gewesen zu sein. Er war mit rechtsextremen Äußerungen aufgefallen, hatte online nach „Yildiz in Frankfurt“ gesucht. Schon zu Jahresbeginn waren die Ermittlungen aber auch in diesen Fällen eingestellt worden. Başay-Yıldız hatte dagegen zunächst Beschwerde eingelegt, diese aber wieder zurückgezogen – um auch hier dienstrechtliche Schritte zu ermöglichen.

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