Instandsetzung der Bahn: Die Sanierung startet in Gernsheim
Bundesweit sollen bis 2030 40 wichtige Bahnkorridore erneuert werden. Den Beginn macht die Riedbahn zwischen Frankfurt a.M. und Mannheim.
Zum Beginn des wohl größten Sanierungsprogramms der Deutschen Bahn hatte sich Prominenz angekündigt. Sowohl Bahnchef Richard Lutz als auch Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) wollten den Startschuss des wichtigsten Prestigeprojekts der Bahn nicht verpassen. Der war für Montagnachmittag im hessischen Gernsheim angekündigt. Der Ersatzfahrplan für die Strecke Frankfurt am Main–Mannheim sollte ab 23 Uhr Montagabend gelten.
2030 soll es dann so weit sein: eine Ära mit pünktlichen Zügen und reibungslosen Abläufen. Bis dahin wartet allerdings erst einmal harte Arbeit auf Tausende Bauleute.
Gernsheim liegt an der Strecke zwischen Frankfurt am Main und Mannheim, der „Riedbahn“, die nach der südhessischen Rheinebene benannt ist. Das Teilstück ist der wichtigste Korridor im deutschen Bahnverkehr. Täglich sind hier mehr als 300 Züge unterwegs. Kommt hier ein Zug verspätet durch, wirkt sich das schnell auf das gesamte Bahnnetz aus.
Damit soll bald Schluss sein: Mit einer Generalsanierung aller Schienen, Weichen und Stellwerke wird die Strecke in den kommenden fünf Monaten komplett neu gebaut. Das ist nur der Auftakt für die von Wissing eingeführte Sanierungsstrategie für das marode Netz. Dafür wird die Trasse bis zum Dezember ganz gesperrt.
Wunschliste von Bahn und Minister
Mit diesem Konzept will die Bahn bis 2030 insgesamt 40 Korridore rundum erneuern. Im kommenden Jahr ist zum Beispiel die Verbindung zwischen Hamburg und Berlin dran. Danach folgen nach und nach die wichtigsten Korridore im Bahnverkehr. 86 Milliarden Euro investiert der Bund in den kommenden Jahren, zumindest steht diese Summe auf der Wunschliste von Bahn und Minister.
Allein 1,3 Milliarden Euro verschlingt die Riedbahn. Dafür werden 117 Kilometer Gleise, 20 Bahnhöfe, 152 Weichen, 140 Kilometer Oberleitungen und 1.200 technische Anlagen saniert. Zudem errichtet die Bahn Lärmschutzwände mit einer Länge von 14 Kilometern. Auch anderswo wird nach wie vor kräftig gebaut, allerdings auf herkömmliche Weise bei laufendem Betrieb. Die Bahn will in diesem Jahr rund 2.000 Kilometer Gleise und 2.000 Weichen ausbessern. Auch 150 Brücken stehen auf der Modernisierungsliste.
Eine der großen Herausforderung des Konzeptes ist die Umleitung der Verkehre. Das bereitet vor allem den Güterbahnen Sorgen. So moniert deren Branchenverband, dass die Umleitungsstrecken nicht ausreichten und zu viele Trassenanträge abgelehnt würden. Auch befürchtet der Verband Verzögerungen und steigende Baukosten. Allein die Riedbahn soll jetzt schon 800 Millionen Euro teurer werden als ursprünglich veranschlagt.
Pannen im Fokus
Mit einem veränderten Baustellenmanagement will die Infrastrukturtochter der Bahn, InfraGo, den Verkehr stabilisieren. Künftig wird es feste Zeitfenster für die Instandhaltung geben, in denen mehrere Gewerke dann gleichzeitig an der Baustelle arbeiten. Manch Beobachter fragt sich da verwundert, warum diese simple Logik erst jetzt im Alltag des Schienenverkehrs einzieht.
Trotz aller Bemühungen steht die Bahn vor allem wegen Pannen im Fokus der Öffentlichkeit. So lief der Transport der Fußballfans bei weitem nicht rund. Das Team der Niederlande verpasste gar eine Pressekonferenz, weil die Bahn nicht pünktlich fuhr. Fans sangen laute Schmähgesänge auf das Unternehmen. Ausländische Kommentatoren zeigten sich angesichts der mangelhaften Verkehrsinfrastruktur negativ überrascht vom Gastgeberland.
Dabei hat die Bahn allein in den Fernzügen während des Turniers rund 12 Millionen Passagiere befördert. Es gab auch keine großen Sicherheitsprobleme in den Zügen oder an den Bahnhöfen. Der große Personalaufwand für die Betreuung der Fans hat sich also gelohnt.
Doch angesichts der schlechten Nachrichten rückten die Erfolge in den Hintergrund. Die CDU sieht durch die Bahn sogar das Image des Landes gefährdet. Vorstandschef Richard Lutz ruiniere den guten Ruf des Landes, kritisierte der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Thomas Bareiß. Offensichtlich könne Lutz das Unternehmen nicht sanieren. Wenn er das nicht schaffe, müsse er gehen. Die Bahn brauche einen Sanierer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels