Biniam Girmay bei Tour de France: Afrikas Hoffnung auf dem Rad

So erfolgreich wie Biniam Girmay war noch kein afrikanischer Teilnehmer. Die Wirkung des Eritreers für seine Heimat ist enorm.

Portrait des Radprofis Biniam Girmay in seinem Renn-Outfit und er trägt eine Basecap

Mit grünem Trikot auf dem Podium: Radprofi Biniam Girmay nach der fünften Tour-Etappe am Mittwoch Foto: Stephane Mahe/reuters

BERLIN taz | Biniam Girmay hat bei der diesjährigen Tour de France bereits zwei Etappen gewonnen. Der Radsportler aus Eritrea wird deshalb schon mit dem Äthiopier Abebe Bikila verglichen – jenem Barfußläufer, der in den 1960er Jahren bei den Olympischen Spielen zwei Mal den Marathon gewann und das Tor aufstieß für ganze Läufergenerationen aus Afrika. Das Gleiche soll nun auch Girmay für den Radsport bewirken – der bis heute eine ziemlich weiße Veranstaltung ist.

Sichtbar wird das etwa im französischen Fernsehen: Bei den Tour-de-France-Übertragungen werden gerne Comicfiguren auf Rädern und mit bunten Trikots eingeblendet; deren Gesichtsfarbe ist ausnahmslos weiß. Das hat mit der Realität auf den Straßen des bedeutendsten Radrennens der Welt wenig zu tun; der Eritreer Girmay ist als bester Sprinter und Träger des Grünen Trikots der erste schwarze Afrikaner, der bei der Frankreichrundfahrt derart erfolgreich ist. „Das ist unglaublich. Das ist groß, und es ist für Afrika“, kommentierte dieser selbst seine Leistungen.

Biniam Girmay ist sich seiner großen Wirkung bewusst. „Ich war 15 Jahre alt, als Daniel Teklehaimanot für einige Tage das Bergtrikot der Tour de France trug. Ich war auch auf der Straße, als die Menge ihn danach zu Hause empfing. Ich dachte mir, ich will das eines Tages auch erreichen. Ich habe aber nicht geglaubt, dass das passieren wird“, sagte der im Jahr 2000 in der Hauptstadt Asmara geborene Radprofi.

Nun, auf einen Riesenempfang kann er sich schon jetzt gefasst machen. Er kennt das mittlerweile. Nach seinem Etappensieg beim Giro d’Italia vor zwei Jahren wollte ihn ganz Asmara bei der Heimkehr sehen. „Unsere Champs-Élysées“ wird die Straße zwischen Flughafen und Präsidentenpalast genannt. Es muss ein Schaufahren gewesen sein, das selbst den traditionellen Schlusstag der Tour de France in den Schatten stellt.

Eritrea ist ein Radsportland

Eritrea ist ein Radsportland – ein Erbe aus der Kolonialzeit unter Italien; das einzige koloniale Erbe wohl, das einhellig gefeiert wird. Und wer aus Eritrea, einem Staat mit kaum demokratischen Strukturen, herauskommen will, der setzt auf die Karte Radsport.

So wie die Generation von Girmay, die den Spuren von Männern wie Teklehaimanot oder dem Äthiopier Tsgabu Grmay folgt. Und all die Menschen, die jetzt in den Kinos der Stadt die Übertragungen der Tour verfolgen und dabei mitbekommen, wie Florenz aussieht oder aktuell die Landschaft der Champagne – auch sie sind vom Radsport als sozialem Aufstiegsinstrument und Mittel zur Ausreise angefixt.

Girmay selbst ging den klassischen Weg. Als Talent auf den heimischen Straßen entdeckt, gelangte er ins Trainingszentrum des Radsportverbands UCI in der Schweiz. Er fuhr in jungem Alter Rennen in Europa und fand dann auch den Weg in hiesige Profirennställe. Mit seinen Siegen bei der Tour hat er diese Entwicklung gekrönt – und das Tor für die nächste Generation weit aufgestoßen.

Tsgabu Grmay, der Ex-Profi aus Äthiopien, war dieser Tage mit jungen afrikanischen Sportlern bei der Tour de France. Um die Dimension von Girmays Auftritt bei der Tour zu benennen, wagte er einen großen historischen Vergleich: „Das ist wie der Marathonsieg Abebe Bikilas in Rom 1960. Das war der Durchbruch für die Lauftalente aus Afrika. Und schau, wie viele afrikanische Weltklasseläufer es jetzt gibt.“ Dem Radsport könnte Ähnliches bevorstehen. Und die Grafiker beim französischen Fernsehen? Sollten sich dringend mal an die Überarbeitung der eingeblendeten Comicfiguren machen.

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