Ampel-Haushalt und Kindergrundsicherung: Nur noch ein Grundsicherungchen

Die Kindergrundsicherung sollte die größte Sozialreform der Ampel werden. Auch in der Etat-Einigung für 2025 ist von ihr aber nicht mehr viel zu sehen.

Kind macht ein wütendes Gesicht und hält dabei eine Maske mit wütenden Augen.

Hat sich von der Ampel wohl auch mehr erwartet: ein wütendes Kind Foto: imago/Giorgio Magini

BERLIN taz | Es steht nicht gut um die Kindergrundsicherung. In den letzten Tagen vor den Parlamentsferien haben die zuständigen Ampelabgeordneten wieder stundenlang über das Projekt verhandelt, das einmal als größtes sozialpolitisches Vorhaben der Koalition bezeichnet wurde. Eine Einigung gab es aber wieder nicht.

Stattdessen haben die Pläne für den Bundeshaushalt 2025, auf den sich die Regierungsspitzen am Freitag verständigten, neue Zweifel hervorgerufen: „Die Kindergrundsicherung wird auf unbestimmte Zeit verschoben. Das ist ein Schock für alle armen Familien“, sagte nach der Veröffentlichung Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VDK.

Schöner klingen die Formulierungen aus der Ampel selbst. Der Haushalt biete eine gute Grundlage für die weiteren Verhandlungen, heißt es aus der Grünen-Fraktion. Von dem, was der Koalitionsvertrag für die Kindergrundsicherung vorgesehen hatte, sind mittlerweile aber tatsächlich nur noch Fragmente übrig.

(Noch) nichts gebündelt

Erstens sollten in der Kindergrundsicherung die diversen bisherigen Leistungen für Kinder gebündelt werden. Zumindest bis 2025, das zeigt spätestens die Haushaltseinigung, wird das nichts: Vereinbart sind jetzt separate Erhöhungen beim Kindergeld und beim Kindersofortzuschlag für Bürgergeld-Familien – erst mal bleiben also beide Leistungen separat bestehen.

Perspektivisch ist die Bündelung zwar noch nicht offiziell beerdigt, die Erfolgsaussichten sind aber nicht mehr groß. Mehr und mehr setzt sich die Ansicht durch: Alle Leistungen an einer Stelle zu bündeln, könnte den Aufwand eher erhöhen als senken. Manche Familien müssten dann sogar mehr Anträge stellen als bisher. Wer Bürgergeld bezieht, ginge dann nicht mehr für die ganze Familie zum Jobcenter, sondern müsste zusätzlich zum sogenannten Familienservice, der als neue Behörde für die Kindergrundsicherung zuständig sein soll.

5 Euro mehr

Zweitens sollte die Kindergrundsicherung eigentlich ein „neu zu definierendes soziokulturelles Existenzminimum sichern“. Frei aus dem Behördendeutsch übersetzt: Die Leistungen sollten steigen. Das tun sie jetzt, aber nur minimal. Die Haushaltseinigung sieht 5 Euro mehr beim Kindergeld und beim Kindersofortzuschlag für Bürgergeld-Familien vor.

In Zukunft, so steht es in einem Grünen-Papier zur Einigung, sollen beide Leistungen parallel zum Kinderfreibetrag steigen, von dem Gutverdiener profitieren. 2024 und 2025 wird die Ersparnis durch den Freibetrag aber insgesamt noch mal stärker wachsen als das Kindergeld.

Kein Automatismus

Drittens sollte die neue Kindergrundsicherung eigentlich automatisiert ausgezahlt werden. Schon länger ist klar, dass auch daraus nichts wird. Die Angaben, die es für die Berechnung braucht, sind über diverse Behörden verteilt und können nicht einfach an einer Stelle zusammengefügt werden.

Immerhin ist jetzt angedacht, dass Familien unkompliziert und unverbindlich prüfen lassen können, ob sie ein Anrecht auf den sogenannten Kinderzuschlag haben könnten. Der Kinderzuschlag ist eine weitere bestehende Leistung für Familien, die zwar wenig Geld haben, aber doch zu viel fürs Bürgergeld.

Bislang nimmt ihn nur ein Teil der Berechtigten in Anspruch. Die Quote soll durch die neue Prüfung („Kindergrundsicherungs-Check“) steigen. Schon im letzten Jahr ist die Zahl der Anträge gestiegen, möglicherweise allein durch die Debatte zum Thema. Um der gestiegenen Nachfrage zu entsprechen, sind in der Haushaltseinigung 1,1 Milliarden Euro zusätzlich vorgesehen.

Teilhabe per Klick

Viertens sah der Koalitionsvertrag ein sogenanntes „Kinderchancenportal“ vor – eine Internetseite also, auf der Angebote aufgelistet sind, die aus dem sogenannten Bildungs- und Teilhabepaket bezahlt werden können. Auch dieses Paket ist eine der schon heute bestehenden Leistungen. Daraus werden Vereinsmitgliedschaften, Musikunterricht oder Ähnliches für Kinder aus armen Familien bezahlt.

Auch dieses Angebot wird bislang nicht von allen Berechtigten genutzt. Die neue Internetseite könnte die Bekanntheit steigern. Wie das Portal T-Online am Donnerstag als erster berichtete, laufen die Verhandlungen über diesen Teil der Kindergrundsicherung noch mit am besten. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf hat aber keine Eile vorgesehen: Ihm zufolge muss die Seite erst bis zum 1. Januar 2029 eingerichtet sein. Aus der Haushaltseinigung der Ampel geht nicht hervor, dass schon für nächstes Jahr Mittel eingeplant werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.