Geschichte von Fußballplätzen in Berlin: Ein Tor zur Stadt
Widerstandskämpfer und Arbeitervereine: Fußballplätze bieten einzigartige Einblicke in die Geschichte Berlins. Ein Rundgang durch die Bezirke.
![Elf männliche Fußballspieler mit weißen Trikots stehen in einem Stadion mit niedrigen Tribünen Elf männliche Fußballspieler mit weißen Trikots stehen in einem Stadion mit niedrigen Tribünen](https://taz.de/picture/7058347/14/imago0016594072h-1.jpeg)
Der Schriftsteller Klaus Theweleit sagte einmal, dass Fußball ein „Tor zur Welt“ biete. Bestimmte politische oder geografische Realitäten nehme man nur zur Kenntnis, weil sie im Fußball vorkommen. Mönchengladbach oder Schalke sind solche Beispiele: Ohne Fußball würde die keiner kennen.
Für Berlin mag das anders sein, vielleicht sogar für seine Bezirke, aber seine Fußballplätze sind eine einzigartige Möglichkeit, sich diese Stadt anzueignen. Betritt man etwa ein Stadion in Lichtenberg, das „Howoge-Arena Hans Zoschke“ heißt – der eine Namensgeber ist eine Wohnungsbaugenossenschaft, der andere ein antifaschistischer Widerstandskämpfer –, ist man mittendrin in der Geschichte.
Eigentlich sollte zu DDR-Zeiten der Platz für Gebäude des Ministeriums für Staatssicherheit weichen, aber das Andenken an den 1944 ermordeten Kommunisten Zoschke bewahrte nicht nur den Platz vor dem Abriss. Sogar der Verein SV Lichtenberg 47 gehört zu den wenigen Vereinen, die sich dem besonderen Raster des DDR-Sports entziehen konnten. Das sah vor, auf der Grundlage von Betriebssportvereinigungen Clubs nach Branchen zu organisieren: Hansa, Chemie, Motor, Stahl, Dynamo.
Krach und Tarnvereine
Man kann aber auch in Kreuzberg Fußball gucken: In der Willi-Boos-Sportanlage an der Gneisenaustraße ist ein Platz, der bis 1931 vom kommunistischen Arbeitersportverein „Fichte“ genutzt wurde. Dann kam es zum Krach, und des Stalinismus überdrüssige Fußballer gründeten die „Freie Sport-Vereinigung Fichte“.
1933 wurden sie wie alle Arbeitersportvereine, egal ob kommunistisch, sozialdemokratisch oder in KP-Opposition stehend, verboten. Der Klub gründete sich als Tarnvereinigung „SC Südring“ – und existiert unter dem Namen „BSC Eintracht/Südring“ bis heute.
Auch Schöneberg hat Fußballplätze, sogar neue. Die „Inter-Arena“ am Südkreuz, Eingang via Vorarlberger Damm, verweist auf die Größe des linksalternativen Sports der frühen 1980er Jahre in Westberlin. Damals weigerte sich der Berliner Fußballverband noch, einen Verein mit dem Namen „FC Internationale“ aufzunehmen, weil das doch an den Kommunismus erinnere. Heute macht der Verein mit der Trikotwerbung „No Racism“ die beste und größte Nachwuchsarbeit im Bezirk.
Fehlt noch Neukölln: Der Werner-Seelenbinder-Sportpark in der Oderstraße, nahe dem Tempelhofer Feld, ist nicht nur das Heimstadion des früheren Bundesligisten Tasmania. Hier befindet sich auch das Urnengrab des Namensgebers. Der war kommunistischer Widerstandskämpfer, 1944 ermordet, und zwischen 1945 bis 1949 war das Stadion schon einmal nach ihm benannt. Dann kam der Kalte Krieg, nur kleine linke Gruppen wollten diesen Stadionnamen, und erst 2004 waren sie erfolgreich.
Fußball ist auch in Berlin ein Tor zur Stadt. Ein Büchlein führt uns zu 100 solcher Stätten: Peter Czoch, Daniel Küchenmeister, Thomas Schneider: „Fußballheimat Berlin. 100 Orte der Erinnerung“. Arete-Verlag, 214 Seiten, 20 Euro.
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