Doku über Frankreichs rechte Jugend: Faschos sind wieder In
Die Dokumentation „Frankreich: Die neue rechte Jugend“ zeigt, warum Faschos nicht nur auf Tiktok trenden – und was Marine Le Pen damit zu tun hat.
Was bringt junge Leute dazu, rechtsextrem zu wählen? Spoiler: Schuld ist nicht bloß Tiktok. Sicher hat in Frankreich der 28-jährige Parteivorsitzende Jordan Bardella zur Likeability der rechtsextremen Partei Rassemblement National beigetragen. Er gilt unter den Anhänger*innen als gutaussehend und charismatisch. Doch da ist noch mehr.
Ein Viertel der 18–24-Jährigen in Frankreich haben bei den Europawahlen für Bardellas Partei gestimmt. Die zuvor von Marine Le Pen angeführte Partei wurde mit großem Abstand stärkste Kraft. Nun könnte sie wegen spontaner Neuwahlen schon bald den oder die Premierminster*in stellen.
Die Arte-Doku „Die neue rechte Jugend“ begleitet vier junge Leute zwischen 17 und 28 Jahren in der südfranzösischen Region Saint-Étienne.
Sie sind in die Partei eingetreten, jubeln ihrem Idol Bardella zu, verteilen Flyer auf Märkten, kleistern nachts Plakate – und fühlen sich cool dabei: aufmüpfig, abweichend von den Eltern, ein bisschen underground, aber nett.
Frankreichflagge statt Boyband
Abgesehen von ein paar etwas gestellten Dialogen kommt die Doku den Protagonist*innen recht nahe, etwa im Teeniezimmer der 17-jährigen Cassandra, das mit Frankreichflagge geschmückt ist statt mit Postern von Stars. Was die vier jungen Menschen eint: ein Leben außerhalb der städtischen Metropolen, zum Teil knappes Geld. Da ist ein Dorf, in dem die letzte Kneipe vor vielen Jahren zugemacht hat; da ist eine alleinerziehende 28-jährige Mutter, die jeden Monat ihr Konto überzieht.
Kann die desolate Lage eine Entschuldigung sein für das rassistische Commitment ganz rechts? Natürlich nicht.
Was der Film zeigt, ist die Leichtigkeit, mit der dies jedoch passiert. Etwa, wenn der 21-jährige Tom schulterzuckend sagt, er „fühle“ sich eben nicht als Faschist und kenne die Vergangenheit der Partei und der Le Pens nicht. Nationalistische Ideen und rassistische Vorurteile werden dahingesagt wie eine Baguette-Bestellung. Die Strategie der „Entteufelung“, die jahrelang von Marine Le Pen vorangetrieben wurde, sie wirkt.
„Frankreich: Die neue rechte Jugend“, in der Arte Mediathek
Leser*innenkommentare
Paul Anther
Vor Jahren sagte mal ein polnischer Rechtswähler was in der Richtung, dass in seiner Generation rebellisch sei rechts statt links zu wählen. Ist vielleicht seine Blase, könnte aber vielleicht auch darauf hindeuten, dass linke Parteien inzwischen als Teil des Establishments wahrgenommen werden.
DiDier
Es schaut ist F halt fast flächendeckend so aus wie hier in Neukölln. Da hat man schlicht keinen Bock mehr drauf.
Claude Barzotti kommt posthum mit seinem Song "La France aux ..." ganz groß raus. Kann man "syltig" finden, ist aber die kommende Realität.
Ulrich Haussmann
Gruselig und dumm.
Uns Uwe
Wenn die westlichen Jugendlichen wieder stärker nach rechts gehen, bedeutet das folgendes:
a) die politische und wissenschaftliche Aufklärungsarbeit vieler herausragender Theoretiker wird zunehmend verdrängt oder vergessen und fällt einer politischen Amnesie zum Opfer.
b) die herrschende Politik in den tonagebenden westlichen Staaten bekämpft seit jeher alles, was als links/sozial/sozialistisch erkennbar ist und bereitet dadurch den Rechten den nötigen Freiraum. Schließlich haben diese ja den selben Gegner.
c) die Rechten selber haben sich modernisiert, siehe Meloni, Orban, Milei, Le Pen. Sie gebärden sich als treuwestliche Militaristen und Ultra-Neoliberale. Ihre diskriminierenden Anteile richten sie zum Teil auf alte Feindbilder (Juden, Schwarze, etc.), aber auch auf neue (Muslime, Woke, Umweltaktivisten, etc.). Sie sind anpassungsfähig wie Chamäleons.
d) dadurch werden die Rechten bündnisfähig, siehe die herzlichen Kontakte von Konservativen und Sozialdemokraten mit den neuen, kreidefressenden Rechten.
e) die Rückkehr zur Voraufklärung ist eine Art Rückkehr des geistigen Mittelalters.
Fazit: Neoliberalismus, Militarismus und Chamäleon-Neofaschismus marschieren zusammen.
Christian Will
Danke für den Artikel!!