Urban Gardener in Berlin: „Gerade sind die Zuckerschoten reif“

Gegen Braun hilft grünes Gemüse. In den Prinzessinnen­gärten in Berlin-Neukölln, auf einem ehemaligen Friedhof, baut Robert Shaw mit anderen davon eine ganze Menge an.

Prinzessinnenengaerten

Kann man gut gemeinsam machen: Arbeit in den Neuköllner Prinzessinnengärten Foto: Bastian Thiery

wochentaz: Robert Shaw, was wächst in den Prinzessinnengärten?

Robert Shaw: Wenn ich das im Einzelnen aufzählen sollte, wäre ich lange beschäftigt. Insgesamt haben wir um die 300 verschiedene Gemüse- und Kräuterarten und -sorten in den Beeten. Und seit wir auf einen ehemaligen Friedhof in den Schillerkiez gezogen sind, pflegen wir den auch noch mit.

ist Teil des Prinzessinnengarten Kollektivs Berlin. Es befindet sich auf dem neuen St. Jacobi Friedhof in Berlin-Neukölln. Mehr Infos unter www.prinzessinnengarten-kollektiv.net

Was kann zurzeit geerntet werden?

Gerade sind die Zuckerschoten, Pflück- und Kopfsalat reif. Und jetzt fängt auch der erste Mangold an, da haben wir sieben verschiedene Sorten. Und dann muss ich diese Woche noch den Kürbis, die Bohnen und den Portulak gießen und Kapuzinerkresse, mexikanische Minigurken und Stangensellerie pflegen.

Was sind die Prinzessinnengärten für ein Projekt?

Angefangen haben wir vor 15 Jahren als Gemeinschaftsgarten am Moritzplatz in Berlin-Kreuzberg, wo wir selbstfinanziert und mit angeschlossener Gastronomie gearbeitet haben. Wir sind eine gemeinnützige GmbH, die einem Verein gehört, und haben inzwischen über 40 Mitarbeiter*innen. Wir bauen Schulgärten, bewirtschaften öffentliche Grünflächen und begrünen Höfe ökologisch wertvoll. Aber im Kern sind wir eigentlich immer noch ein Gemeinschaftsgarten mit kleinem Restaurant.

Was macht einen Gemeinschaftsgarten aus?

Das ist ein Garten, an dem beim Gärtnern Gemeinschaft gelebt wird. Bei uns ist es auch ein Ort, an dem erprobt wird, wie man sich in der Stadt nachhaltig verhalten kann. Neben dem Garten haben wir eine Holzwerkstatt und eine Metallwerkstatt für Re-Use- und Recyclingfragen.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Wer macht bei Ihnen mit?

Neben den Angestellten noch mal 60 bis 80 Freiwillige und viele Menschen, die sporadisch vorbeikommen. Laut dem letzten Tätigkeitsbericht waren es 2022 über 3.000 Leute, die mitgegärtnert haben. Das geht von sehr jung bis sehr alt und durch alle Schichten hindurch.

Warum ist Gärtnern etwas, das man gut in Gemeinschaft machen kann?

Weil es viel Arbeit ist. Und dann ist es auch noch eine super kommunikative Tätigkeit. Man kann einfach im Beet sitzen, jäten und dabei quatschen.

Was machen Sie mit dem ganzen Obst und Gemüse?

Das nehmen die Leute einfach mit. Und was übrig bleibt, geht in unser Restau­rant.

Hilft Gärtnern gegen rechtes Gedankengut?

In einem Gemeinschaftsgarten wie unserem glaube ich, ja. Unter den Teil­neh­me­r*in­nen des Gartens sind definitiv weniger AfD-Wähler*innen als im Berliner Durchschnitt. Ich glaube, dass Austausch hilft.

Was bringt es, Gemüse in der Stadt anzubauen?

Das ist vor allem zu Bildungszwecken wichtig. Denn in Deutschland schmeißen wir 51 Prozent unserer Lebensmittel weg. Von daher braucht man eigentlich kein zusätzliches Gemüse. Aber man braucht mehr Wissen, um nachhaltiger mit Gemüse umgehen zu können. Unser Anbau ist also vornehmlich dafür da, um den Leuten zu zeigen, wie Gemüse eigentlich wächst und wie viel Arbeit dahintersteckt. Und es soll ein Stück weit auch beweisen, dass Gemüse in Zeiten des Klimawandels nicht so stark importiert werden müsste, wie es momentan der Fall ist.

Könnte Berlin sich im Zweifelsfall sogar selbst versorgen?

Es gibt bereits eine Stadt auf der Welt, die sich zu 90 Prozent selbst mit Gemüse versorgt: Das ist Havanna. Aber hier in Berlin ist die Logik, der die Flächen folgen, größtenteils eine monetäre. Da ist so ein Friedhof eine krasse Ausnahme.

Aber wäre es theoretisch möglich?

Laut Schätzungen nicht zu 100 Prozent, aber 50 Prozent des Obst- und Gemüseanbaus wären hier durchaus denkbar.

Und wie können diejenigen mitgärtnern, die nicht in der Nähe sind?

Wir bieten eine Beratung für Menschen aus dem Bezirk an, wenn sie ihren Innenhof ökologisch begrünen wollen. Und wenn jemand von woanders bei uns anfragt, können wir auch Leute vermitteln. Gute Gemeinschaftsgärten gibt es in fast jeder Stadt in Deutschland.

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