Berliner Bildungssystem: Erst Schule, dann ab nach Dubai
Viele Kinder tun sich beim Übergang in die Oberschule schwer. An einer Grundschule in Wedding sollen sie mithilfe eines Workshops unterstützt werden.
berlin taz | Ein bisschen verschlafen wirkt das von Grünflächen umgebene Gelände der Gottfried-Röhl-Grundschule im Wedding. Die Pause ist gerade vorbei, die Kinder sind schon wieder im Gebäude verschwunden. In der Klasse 6A ist es vorbei mit der Stille: Es wird durcheinander gerufen, die Schüler:innen kabbeln sich. Der Klassenlehrer ruft zur Ruhe auf und natürlich zum unvermeidlichen „Handys wegpacken!“.
Hier findet am Donnerstag das Projekt „Abschied Neubeginn“, statt, das Schüler:innen am Ende der Grundschulzeit den Übergang zur weiterführenden Schule erleichtern soll. Denn „viele Kinder erleben diesen Wechsel als sehr stressig und sind mit einer Mischung aus Vorfreude und Angst konfrontiert“, heißt es von Organisator:innenseite.
Die Aktion ist Teil der Bildungskampagne „Kinder beflügeln“ vom Evangelischen Johannesstift und der Johannesstiftdiakonie. Die Initiative richtet sich an „Kinder und Jugendliche aus Familien, deren Zugang zu Bildung und Kultur eingeschränkt ist.“ Ziel sei es, durch die Projekte für mehr Selbstsicherheit durch Bildung zu sorgen. Oft finden die Aktionen außerschulisch statt, sie gehen zum Beispiel ins Rathaus, in Museen, Bibliotheken und Kulturzentren. Am Donnerstag bleibt es aber ganz klassisch beim Klassenzimmer. Der Workshop in der 6A wird von zwei externen Pädagog:innen der Bildungskampagne angeleitet, Theresia Asmussen und Bernadette Kowolik.
Es wird zurück und in die Zukunft geblickt
Erstmal geht es um Abschied und Rückblick. Gefragt wird dabei auch, ob die Schüler:innen schon die Zusage der weiterführenden Schulen haben, die sie ab nächstem Herbst besuchen werden. Einige aus der 6A wissen schon genau, wo es hingeht, andere müssen noch um eine Rückmeldung bangen. Beim Anfertigen eines Abschiedsbuchs sollen die Kinder ihre Einschulung, ihr Lieblingsfach, ihre schönste Erinnerung und ihren Lieblingsort in der Schule aufmalen. Letzterer ist für viele Schülerinnen das Mädchenklo. Ein wenig überraschend, schließlich zeigte der erste bundesweite Toilettengipfel vor drei Tagen den desaströsen Zustand der Sanitäranlagen in Berliner Schulen.
Im zweiten Teil des Workshops geht es um die Zukunft. Die Kinder sollen auf großen Blättern ihre Sorgen, Ängste und Pläne aufschreiben. Viele befürchten, auf der neuen Schule keine Freund:innen zu finden. Bei „größter Angst“ steht außerdem mehrmals „Spinnen“, aber auch „Mein Vater“. Die Pädagog:innen lassen das unkommentiert.
Einige Kinder wollen nach Dubai und Geld verdienen
Nach der Schule wollen viele Kinder eine Ausbildung machen. Wo sie später mal wohnen wollen? Dubai. Mit Abstand die häufigste Antwort. „Ist spannend da“, meint ein Schüler“. Außerdem ganz klar für viele der Kinder: unbedingt Millionär*in werden. Eines der Mädchen will lieber einen Millionär heiraten. Erst mal aber Oberschule, einen Platz hat sie schon.
Der Workshop zeigt auch: Einige der Kinder haben noch immer Schwierigkeiten beim Schreiben. Eine Lehrerin hilft von der Seite: „Ich weiß, dass du das kannst“, ermutigt sie eine Schülerin. So etwas können die externen Pädagog:innen weniger leisten. Sie kennen die Kinder kaum, wissen nichts über ihre Stärken und Schwächen. Dass sie den Schüler:innen an nur einem Tag mit ihren innigsten Sorgen und Zukunftsängsten helfen können, erscheint daher schwierig. Fest steht aber: Das selbstgemalte Abschiedsbuch wird bleiben.
Leser*innenkommentare
Wolfgang Dr. Dahlke
Entweder Millionär oder Dubai, aber noch Schwierigkeiten mit dem Lesen. Klingt nach sehr guter Erdung und sozialer Orientierung, vermutlich vermittelt durch die Eltern
Fabian Wetzel
Na ob ich als Viertklässler überhaupt schon wusste, dass es Dubai gibt. Die Kinners heutzutage...
Offebacher
Nach der sechsten Klasse noch nicht schreiben können? Das kann in den nächsten Schuljahren nicht aufgeholt werden, im Gegenteil, die betroffenen Jugendlichen werden entweder schulisch immer weiter zurückfallen oder ihre späteren Mitschüler mit "herunterbremsen". Und dann wundert und graut sich vor den PISA-Ergebnissen.
M. S.
@Offebacher Eine befreundete Lehrerin sagte, dreiviertel iher Schüler, 4. Klasse ,verstehen einfachste Arbeitssnweisu gen nicht.