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Fantreffen der NationenDas Heilsame am Sport

Man kennt das: Das Aufmanteln der Fans vor dem Spiel inklusive Fanmarsch. Nachher ist alles halb so wild.

Sind auch schon da: Fans aus der Schweiz (nach dem 3:1 gegen Ungarn) Foto: dpa

E s ist halb neun am Samstagabend, und am Düsseldorfer Hauptbahnhof kreuzen sich gleich zu Beginn dieser Europameisterschaft wild die Emotionen. Albanische Fans stehen im Gedränge und lassen sich Arm in Arm fröhlich mit Uniformierten fotografieren, auf deren Westen „Albanian State Police“ steht. Müssten sie alle nicht eigentlich in Dortmund sein, wo in einer knappen halben Stunde ihr Spiel gegen Italien angepfiffen wird?

Ein paar Österreicher verkünden lautstark, dass sie nun auch da sind. Ihr Spiel in Düsseldorf beginnt allerdings erst am darauffolgenden Tag. Und dann sind etliche euphorisierte Schweizer und niedergeschlagene Ungarn frisch aus Köln eingetroffen auf dem Weg zur nächsten Kneipe oder ihrem Übernachtungsquartier.

Mit den Menschen mischen sich Vorfreude, Nachfreude und Enttäuschung auf engstem Raum. Das kennt man hier. Schaut man auf die deutsche Landkarte, dann lässt sich schnell ein klarer Drall Richtung Mitte-links im deutschen Fußball feststellen. In Nordrhein-Westfalen begegnet sich an den Wochenenden auf den Bahnhöfen die halbe Bundesliga. Selbst niederklassigere Vereine wie Alemannia Aachen oder Rot-Weiss Essen sind mit beträchtlichem A­nhang unterwegs. Dieser Mitte-links-Drall bildet sich auch bei dieser EM ab. Die emotionale Fußball-Rush-Hour ist nun nur national gewandet.

Völlig übermüdet und selbstvergessen hat ein rot-weiß-grün gekleideter Ungar eben in der Bahn leise ein „Olé, olé“ angestimmt, bis sie ihm sogleich wieder eingefallen ist, diese verdammt bittere Auftaktniederlage. „Scheiße“, sagt er laut, ansonsten spricht er mit seinem Leidensgenossen nur ungarisch. Die Deutsche Bahn meldet sich mit einem Deutschkursangebot für Fortgeschrittene und erzählt etwas von „unbefugten Personen auf den Gleisen“ und von einer Verspätung. Letzteres gehört vermutlich schon zum Grundwortschatz aller EM-Touristen.

Auf Wiedersehen

Am Samstagmorgen war dieser Mann wohl dabei, als die Ungarn – wie das mittlerweile so üblich ist – sich kollektiv in einem Fanmarsch Richtung Kölner Stadion aufgemacht haben. In den vordersten Reihen sind seit Jahren scheinbar nur solche Typen willkommen, die bei einem Casting für Neonazirollen glatt durchgewunken würden. Sie tragen alle schwarze T-Shirts. Auf manchen war am Samstag die Deutschlandkarte abgebildet, als ob sie sich gerade auf einem Feldzug befinden würden.

Das Sich-Aufmanteln von Fußballfans vor einem Spiel, das kennt man allerorten zur Genüge. In Nationalfarben kommt das Markieren eigener Ansprüche zwangsläufig noch martia­lischer daher. Aber das ist das Heilsame am Sport: Niederlagen erden. Schon zum Selbstschutz reift Stunden nach Abpfiff die Erkenntnis, dass die leider verlorene Partie so wichtig auch wieder nicht war. Der Ungar im Zug konnte jedenfalls schon wieder müde lächeln, als er mit einem freundlichen „Auf Wieder­sehen“ den Wagen verließ.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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