Kundgebung zum Gaza-Krieg: Kinderschuhe als Erinnerung

Bei einer Gedenkveranstaltung in Berlin zum Weltkindertag wurden die Namen von Kindern verlesen, die in Gaza getötet wurden.

Menschen sitzen und stehen am Berliner Boulevard Unter den Linden, Kinderschuhe stehen aufgereiht, ein Redner liest am Mikrofon von einem Blatt ab

Stille Andacht: Gaza-Gedenken am Samstagabend vor der Neuen Wache in Berlin Foto: Daniel Bax

BERLIN taz | Am späten Abend stehen Hunderte Kinderschuhe in Reihen auf dem Boulevard Unter den Linden aufgereiht. Im Hintergrund ist ein offenes Zelt aufgebaut, an den Tischen sitzen ein paar Menschen. Am Rand stehen drei Frauen, die eine Art Engelskostüme tragen, weiße Gewänder mit riesigen Flügeln. Einige Menschen sitzen andächtig auf der Straße: Mache haben ein Palästinensertuch über die Schulter gelegt, andere sind zufällige Passanten. Am Mikrofon wechseln sich Rednerinnen und Redner ab, die leise arabische Namen verlesen, dazu noch Altersangaben. Es sind die Namen von Kindern, die seit dem 7. Oktober in Gaza getötet wurden. Viele waren Kleinkinder oder Jugendliche, andere wurden nur wenige Tage oder Monate alt.

Die Lesung vor der Gedenkstätte Neue Wache in der deutschen Hauptstadt, in der die Skulptur einer trauernden Mutter der Bildhauerin Käthe Kollwitz steht, ging am Samstag von morgens bis Mitternacht. Schätzungsweise über 15.000 Kinder sollen seit dem 7. Oktober im Gazastreifen getötet worden sein, mindestens 8.000 Fälle sind eindeutig dokumentiert. Die Liste der Namen, die in Berlin verlesen wurde, stammt von einer niederländischen NGO, vom palästinensischen, Hamas-geführten Gesundheitsministerium und der UN. Drei Berlinerinnen haben sich die Aktion ausgedacht, um so den „Internationalen Tag des Kindes“ zu begehen, der am Samstag stattfand.

Eine von ihnen ist Nadja Vancauwenberghe, ehemalige Gründerin und Chefredakteurin des Magazins Ex-Berliner. Die Französin und ihre beiden Mitstreiterinnen Nouma Bordj und Lucie Kossmann, allesamt Mütter, wollten sich und anderen damit die Gelegenheit geben, Trauer und Mitgefühl auszudrücken. „Wir hatten den Eindruck, dass es in Deutschland dafür keinen Platz gibt“, sagt sie. Vielen Deutschen fiele es schwer, sich in einer palästinensischen Demonstration einzureihen, weil sie sich nicht mit manchen politischen Slogans oder Zielen identifizieren könnten. Hier aber gäbe es keine Reden, sondern einen Raum, um sein Unbehagen mit der Politik dieses Landes auszudrücken. Vancauwenberghe sieht eine Kluft zwischen Politik und Medien einerseits, die ihrer Meinung nach zu wenig Raum für Zwischentöne böten, und Teilen der Gesellschaft, die sich genau das wünschten.

Prominente Unterstützung

Die Resonanz sei überwältigend gewesen, sagt sie. Zwischenzeitlich seien Hunderte Menschen da gewesen – Menschen aus allen Schichten und Generationen. Auch ihre japanischen Nachbarn seien vorbeigekommen, und unter denjenigen, die Namen verlasen, seien auch einige Prominente gewesen, darunter der Musiker Michael Barenboim, die Journalistin Charlotte Wiedemann und der Berliner SPD-Politiker Mehmed König. Besondere Vorkommnisse oder Zwischenfälle habe es keine gegeben, so Vancauwenberghe. Nur als es zwischendurch regnete, hätten alle kurz unter dem Baldachin des Zeltdachs Zuflucht gesucht.

Ins Gespräch mischt sich ein Passant ein, der ebenfalls eine Kufiya trägt – ein aus Ägypten stammender Techniker, der seit Kurzem in Berlin lebt. Er bedankt sich bei den Veranstaltern, möchte Geld spenden und unterstützen. Er sei bei anderen Protestveranstaltungen gewesen, sogar heute, aber diese sei mit Abstand die eindrucksvollste, sagt er. Auch er liest später einige der Namen auf der Liste vor.

In Utrecht hatte es im März eine ähnliche Aktion gegeben: Tausende Kinderschuhe standen dort auf dem Marktplatz, um an die getöteten Kinder im Gazastreifen zu erinnern. Weitere Aktionen dieser Art sind in Hamburg und Paris geplant. Auf der Instagram-Seite der Initiative honouringthechildrenofgaza sind auch Video-Testimonials zu finden, die einige der Teilnehmenden aufgenommen haben.

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