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„Trostfrauenstatue“ soll verschwindenSenat will Frauen vertrösten

Um die „Trostfrauenstatue“ gab es diplomatische Eklats. Landesregierung bringt ein allgemeines Denkmal über sexualisierte Gewalt im Krieg ins Spiel.

Nataly Jung-Hwa Han vom Korea-Verband sitzt auf dem freien Stuhl, der Teil der Friedensstatue ist Foto: Rolf Zöllner/imago

Berlin taz | Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) will die so genannte Trostfrauenstatue in Moabit am liebsten aus dem Stadtbild verbannen. Kürzlich war er zu Besuch in Berlins Partnerstadt Tokio und traf dort auch Japans Außenministerin Yoko Kamikawa. Sie sprach Wegner auf die Bronzefrau an, die ihrer Regierung ein Dorn im Auge ist. Wegner stellte in einer offiziellen Senatsmitteilung eine „Lösung“ für das umstrittene Denkmal in Aussicht. Er sei „mit allen Beteiligten im Austausch“, auch mit dem Bezirk und der Bundesregierung, und will auch den japanischen Botschafter in die Debatte einbinden.

Der Regierende sagte weiter: „Es ist wichtig, dass wir zu Veränderungen kommen.“ Eine „einseitige Darstellung“ dürfe nicht mehr stattfinden. Der Korea-Verband, der das Denkmal aufgestellt hat, sagte der taz, dass Wegner mit ihm bisher nicht das Gespräch gesucht habe.

2020 hatte der Korea-Verband, eine in Berlin ansässige Nichtregierungsorganisation, die Friedensstatue mit offizieller Genehmigung des Bezirks­amtes Mitte in Moabit aufgestellt. Betroffene lehnen den Begriff „Trostfrauen“ als Beschönigung für Zwangsprostitution ab.

Das bronzene Mädchen in traditioneller koreanischer Tracht, das auf einem Stuhl sitzt, steht für rund 200.000 Frauen und Mädchen zwischen 11 und 29 Jahren aus verschiedenen japanischen Kolonien, die im Zweiten Weltkrieg in japanische Kriegsbordelle zur Prostitution verschleppt wurden. Es ist darüber hinaus allgemein ein Symbol sexualisierter Gewalt gegen Mädchen und Frauen in Kriegen.

Diplomatischer Eklat

Das unscheinbare Mädchen mit dem Vogel auf der Schulter und dem strengen Blick würde außerhalb Moabits vermutlich niemand kennen, hätte es nicht einen diplomatischen Eklat ausgelöst. Japans Regierung wandte sich mehrfach an das Auswärtige Amt mit der Bitte, die Statue entfernen zu lassen. Mittes damaliger Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) widerrief daraufhin die Genehmigung zur Aufstellung der Friedensstatue und verlangte vom Korea-Verband die Entfernung. Nach Protesten und Kundgebungen lenkte er ein, die Bezirksverordnetenversammlung plädierte für den Erhalt der Skulptur.

Derzeit ist die Statue bis November geduldet. Eine dauerhafte Genehmigung ist nicht möglich, weil sie nicht aus einem Kunstwettbewerb hervorgegangen ist. Die Duldung ist aber verlängerbar.

Senatssprecherin Christine Richter sagt der taz: „Der Senat hat zur Kenntnis genommen, dass sich um die Statue herum ein außenpolitischer Disput entwickelt hat, der bereits Gegenstand von Gesprächen auf Regierungsebene zwischen Japan und Deutschland war.“ Den „Trostfrauen-Konflikt“ zwischen Japan und Korea halte der Senat aber für „endgültig gelöst“. Ein „übergeordnetes“ Denkmal zum Thema sexualisierte Gewalt in kriegerischen Konflikten halte der Senat hingegen für sinnvoll.

Laura Sanders, Sprecherin des Bezirkes Mitte, der für die Genehmigung des Denkmals zuständig ist, erklärt, die Debatte um die Skulptur zeige, „dass es einer größeren öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Thema sexualisierte Gewalt gegen Frauen in kriegerischen Konflikten bedarf“.

Kontakt zur Bundesregierung

Der Bezirk sehe deshalb die Notwendigkeit „eines Mahnmals gegen sexualisierte Gewalt gegen Frauen in kriegerischen Konflikten“ und habe dazu Kontakt mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgenommen. Dort sei man, so Sanders, an dem Thema sehr interessiert. Allerdings bedürfe es für ein Denkmal mit Unterstützung des Bundes eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.

Wie lange so etwas dauern kann, zeigt das Beispiel der seit Jahrzehnten diskutierten und noch immer nicht umgesetzten „Einheitswippe“ am Humboldt Forum. Die Frage, was bis dahin und danach mit der bestehenden Friedensstatue geschehen soll, kann die Bezirkssprecherin nicht beantworten. Das sei „in Klärung“.

Nataly Jung-Hwa Han vom Korea-Verband hat die Sorge, dass die Statue Japan zuliebe zum Jahresende abgebaut wird, um irgendwann in ferner Zukunft ein anderes Mahnmal zu errichten. Ihrer Meinung nach stehe die Friedensstatue für sexualisierte Gewalt an Frauen in Kriegen weit über den Zweiten Weltkrieg in Fernost hinaus. „Wir sind in Bildungsprojekten mit jesidischen und afghanischen Frauen sowie mit Forscherinnen zu Wehrmachts- und KZ-Bordellen im Gespräch. In unserer Ausstellung haben wir auch die koreanischen Soldaten im Vietnamkrieg thematisiert.“

Japanische Botschaft macht Druck

Doch auf Druck der japanischen Botschaft auf eine beteiligte Schule sei diese aus einem Bildungsprojekt ausgestiegen. Jung-Hwa Han: „Es ist das eine, dass die japanische Botschaft diese Erinnerungskultur nicht will. Etwas anderes ist es, wenn deutsche Stellen da einknicken. Das darf nicht passieren.“ Vorige Woche hätten, so berichtet sie, japanische Frauen und Männer eine Kundgebung vor der Senatskanzlei für den Erhalt der Statue initiiert.

Oleksandra Bienert von der Allianz ukrainischer Organisationen hält auch nichts davon, die Statue gegen ein generalisierendes Denkmal gegen sexualisierte Gewalt in Kriegen auszuspielen. „Wir brauchen beides“, sagt sie. „Sexualisierte Gewalt ist eine Art der Kriegsführung, auch jetzt in der Ukraine, und gerade die Debatte um die Friedensstatue zeigt, wie wichtig es ist, an die Opfer zu erinnern.“

Das postkoloniale Netzwerk Decolonize Berlin sagt, es verstehe „den Versuch Kai Wegners, auf Druck der japanischen Regierung in Sachen Friedensstatue zu intervenieren, als Affront gegen die Bemühungen der Zivilgesellschaft, eine dezentrale und vielfältige Erinnerungskultur, die unsere Gesellschaft widerspiegelt, im Stadtbild Berlins zu verankern.“ Das Netzwerk fordert den Erhalt der Statue im öffentlichen Raum.

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