Untersuchungsausschuss „Gehaltsaffäre“: Weil gibt nicht den Scholz

Im Untersuchungsausschuss zum Gehalt der Büroleiterin von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ist der prominenteste Zeuge vernommen worden.

Niedersachsens MInisterpräsident Stephan Weil (SPD) steht vor einer holzvertäfelten Wand und verzieht das Gesicht.

Nicht glücklich, kann sich aber immerhin erinnern: Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) vor dem Untersuchungsausschuss Foto: Julian Stratenschulte/dpa

HANNOVER taz | Der wichtigste Zeuge ist früh dran. Ministerpräsident Stephan Weil steht schon im Sitzungssaal des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, bevor alle Ausschussmitglieder eingetrudelt sind, verbreitet demonstrativ gelassen gute Laune und schüttelt Hände.

Anders als andere Politiker in dieser Situation, so viel lässt sich am Ende sagen, leidet er nicht unter umfangreichen Gedächtnislücken. Die CDU wird aber trotzdem finden, dass er nicht alle ihre Fragen wirklich beantwortet hat. Es geht um das Gehalt seiner Büroleiterin und ein bisschen mehr als das.

Die Opposition glaubt, Weil und der Chef seiner Staatskanzlei haben deren Beförderung mit der Brechstange durchgesetzt, also rechtswidrig und ohne Rücksicht auf Bedenken von Fachleuten die Änderung einer langjährigen Verwaltungspraxis durchgeboxt, nur um diese eine junge Frau besser bezahlen zu können.

Weil und seine SPD behaupten das Gegenteil: Anhand dieses Einzelfalls sei man auf eine grundsätzliche Ungerechtigkeit gestoßen, die man habe beseitigen wollen – auch um die Attraktivität des öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber zu steigern.

Loblied auf den zweiten Bildungsweg

In der mittlerweile sechsten Sitzung des Untersuchungsausschusses arbeitet man sich vor allem an drei Komplexen ab. Erstens: Durfte die junge Frau überhaupt so hoch eingestuft und bezahlt werden?Zweitens: Von wem wurde die neue Einstufungsregelung wann und wie angeordnet, durchgesetzt und für wen soll sie wirklich gelten? Drittens: Wer hat entschieden, dass die Höherstufung rückwirkend erfolgen soll und der Büroleiterin damit die beträchtliche Summe von rund 10.000 Euro nachgezahlt werden musste?

Vor allem die erste Frage beantwortet Weil sehr klar und sehr sozialdemokratisch: Mit einem Loblied auf diese Mitarbeiterin und vor allem den zweiten Bildungsweg, den sie beschritten hat.

Während CDU-Wortführerin Carina Hermann immer wieder kritisiert, man könne doch jemanden „wenige Wochen nach dem Master“ nicht mit einer solchen Spitzenposition betrauen, betont Weil, er habe das als große Ungerechtigkeit empfunden, dass genau solche „atypischen“ Lebensläufe im bisherigen System nicht hinreichend gewürdigt werden konnten.

„Ein Abschluss auf dem zweiten Bildungsweg, also neben der Berufstätigkeit, erfordert so viel mehr an Leistungsbereitschaft, Energie und Willen.“ Und es könne doch auch nicht sein, dass Berufserfahrung, die vor dem Master liege, quasi nicht zähle.

Eine Stelle als Durchlauferhitzer

Im Falle seiner Büroleiterin sieht er das so: Die Stelle war praktisch immer schon, mindestens „seit einem Vierteljahrhundert“, mit der Gehaltsstufe B2 AT bewertet. Damit die junge Frau die erreicht, hätte sie nach der geltenden Verwaltungspraxis aber acht bis zehn Jahre warten müssen – weil die Laufbahn analog zum Beamtenrecht nachgezeichnet wird und ihr die nötigen Anrechnungszeiten fehlten.

Allerdings: So lange ist eigentlich niemand Büroleiter*in. Der Posten ist quasi ein Durchlauferhitzer, ein Sprungbrett, von dem man sich nach ein paar Jahren auf die nächste Stelle bewirbt. Und weil es eine enge Vertrauensstelle ist, wäre spätestens mit dem Ende der Amtszeit des Ministerpräsidenten ja auch für sie Schluss.

Deshalb, sagt Weil, habe er auch die Rückwirkung plausibel gefunden: Anders als Beamte bekommen Angestellte ihre Zulagen eben nur für die Dauer der Tätigkeit und nicht auf Lebenszeit. Die Opposition hält ihm dagegen vor, dass ja kaum jemand nach einem solchen Büroleiterposten gehaltsmäßig wieder nach unten falle.

Einzelfall oder strukturelles Problem?

Ganz so klar und leidenschaftlich fällt Weils Vorwärtsverteidigung in den anderen Punkten auch nicht aus. Immer wieder beharrt er darauf, er habe diese Ungerechtigkeit grundsätzlich beseitigen wollen, weil der öffentliche Dienst sonst bald ein Personalproblem kriege.

Immer wieder hält ihm die Opposition vor, dass er hier aber nur eine Regelung für eine winzige Spitzengruppe geschaffen habe, während alle anderen Konzepte, um die Landesverwaltung „demografiefest“ zu machen, eher vage blieben.

Auch aus den Aktennotizen und Aussagen der Fachabteilungen im Finanzministerium und in der Staatskanzlei lässt sich ablesen, dass es erhebliche Bedenken gab und mehr als eine Person davon ausging, dass es hier vor allem um den Einzelfall ging.

Wie viel davon am Ministerpräsidenten kleben bleibt oder ob sein Staatssekretär demnächst den Hut nehmen muss, bleibt offen. Bis Redaktionsschluss dauerte die Befragung noch an.

Bei der Staatsanwaltschaft in Hannover läuft derweil auch noch ein Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der Untreue gegen unbekannt. Es stützt sich nach Angaben der Deutschen Presseagentur auf Medienberichte zum Untersuchungsausschuss und zwei Anzeigen von Privatpersonen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wer hat wie wo gewählt in Niedersachsen? Die Wahlergebnisse im Land und in den Wahlkreisen und die Wählerwanderung in Grafiken finden Sie hier.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.