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Rekord-Schwimmerin Ledecky vor OlympiaUnauffällige Ausnahmeerscheinung

Katie Ledecky ist vor den US-Olympiaausscheidungen bestens in Form, um dann auch bei den Sommerspielen in Paris groß abzuräumen.

US-Schwimmerin Ledecky bei der Weltmeisterschaft letztes Jahr im Finale der 800 Meter Freistil der Frauen Foto: David J. Phillip/ap

A ls Präsident Joe Biden in der vergangenen Woche Katie Ledecky die Freiheitsmedaille, die höchste zivile Auszeichnung in den USA, umhängte, wagte der 81-Jährige einen kleinen selbstironischen Scherz. „Alter ist nur eine Zahl, Kleine“, wisperte Biden der 27-Jährigen ins Ohr. Dabei spielte er darauf an, dass er genau wie sie im fortgeschrittenen Alter nichts von einem Karriereende wissen will.

Nun ist 27 freilich kein Alter, doch wenn man, wie Ledecky, mit 15 sein erstes olympisches Gold gewonnen hat, dann kommt man doch auf eine beträchtliche Zeit an der Weltspitze. An diesem Wochenende wird sie versuchen, sich bei den US-Olympiaausscheidungen für Paris zu qualifizieren. Es wären ihre vierten Olympischen Spiele, bei denen sie sich anschickt, ihre achte, neunte und vielleicht zehnte Goldmedaille zu gewinnen. Das hat vor ihr noch keine Schwimmerin geschafft.

Man darf sie getrost als größte Schwimmerin aller Zeiten bezeichnen, auch wenn solche Bezeichnungen mangels Vergleichbarkeit nur begrenzten Wert haben. Doch dabei ist das Bemerkenswerteste an ihr, dass es so wenig Bemerkenswertes gibt. Aus ihren rechtzeitig zu den Olympiaausscheidungen erschienen Memoiren „Just add water“ sind jedenfalls keine Geschichten über irgendwelche Krisen herauszulesen. Von Skandalen oder anderen Dramen ist nichts bekannt.

Ledecky trinkt nicht und raucht nicht und hat keinen Freund. „Nicht, dass ich das so planen würde, weil ich wegen dem Training keine Zeit habe.“ Es habe sich nur nicht ergeben, vielleicht, räumt sie ein, weil Männer mitunter von ihrem überragenden Leistungsvermögen eingeschüchtert sind.

Medaillenhoffnung schon mit 13 Jahren

Das gilt auch für die Männer, mit denen sie trainiert. Frauen gibt es eh keine, die mit ihr mithalten können, die einzigen Herausforderinnen leben in Kanada und Australien. So zieht sie täglich ihre unzähligen Bahnen in Florida mit Bobby Finke, wie sie Doppelolympiasieger über die langen Strecken. Der gibt zu, dass sie ihm bisweilen sehr nah zu Leibe rückt. Auf Trainingsvideos sieht man, wie Finke Bahn um Bahn Ledecky einfach nicht los wird.

Der Weg zur einsamen Spitze des Langstreckenschwimmens von Ledecky war geradlinig und direkt. Als sie mit 13 bei einem lokalen Wettkampf die damalige Olympiamedaillistin Allison Schmitt herausforderte und der Sprecher ihr viele Medaillen voraussagte, winkte Ledeckys Vater ab. Sie sei doch noch viel zu jung für solche Prognosen. Keine zwei Jahre später gewann sie Olympiagold und schwamm Weltrekord.

Ihr weiterer Weg war ein einsames Streben um Perfektion. Sie wurde immer schneller und besser und schwamm dem Rest der Welt immer weiter davon. Über 1.500 Meter Freistil gehören ihr 14 der 15 besten Leistungen aller Zeiten. Insbesondere auf den ganz langen Strecken war es nichts Besonderes, dass sie dem Gros des Feldes mehr als eine Beckenlänge voraus war. Immerhin das hat sich gebessert. Seit wenigen Jahren holt der Rest der Welt auf, bei den Spielen von Tokio wurde sie zwei Mal besiegt. Über die ganz lange Strecke auf der Bahn, die 1.500 Meter, eine Distanz, die man absurderweise bis vor drei Jahren den Frauen nicht zutraute, wurde sie trotzdem souverän die erste Olympiasiegerin überhaupt.

Kritik an Vertuschungsskandal

Außerhalb des Beckens blieb sie jedoch unauffällig. Sie machte während der Vorbereitung zu den Spielen von Tokio nebenbei ihren Studienabschluss. Sie gibt immer freundliche, wohl formulierte Antworten. Aus politischen Dingen hält sie sich raus. Zum Thema des Startrechts für Transpersonen sagte sie etwa ausweichend, es sei schön, dass man in einer Gesellschaft lebe, in der so etwas offen diskutiert werden könne.

Immerhin kritisierte sie lautstark den internationalen Schwimmverband und die Welt-Anti-Doping-Agentur für die Vertuschung des Dopingskandals um die chinesischen Schwimmerinnen, der erst durch eine Journalistenrecherche aufgedeckt wurde. Das wird sie jedoch nicht davon abhalten, mit Konzentration und gnadenloser Härte in Paris in den schwersten Disziplinen, die das Schwimmen kennt, um Gold zu kämpfen. Und dann mit geschliffenen Worten die freundlichsten Interviews der Welt dazu zu geben.

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Sebastian Moll
USA Korrespondent
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