Ankerverbot auf Berliner Gewässern: Wem gehört die Spree?

Wer auf der Spree lebt, soll sein Boot nicht mehr verlassen dürfen. Die Gentrifizierung erreicht damit auch Berlins Gewässer. Gibt es Widerstand?

Das Bild zeigt eine Bootsdemo

Ein viel zu seltener Anblick: Eine Demonstration fürs Klima auf der Spree Foto: Paul Zinken/dpa

Nun also auch ein – wenn auch abgeschwächtes – Ankerverbot. Außerhalb von genehmigten Liegeplätzen ist ab dem 1. Juni ein so genanntes Stillliegen von Booten entlang der innerstädtischen Spree nicht mehr erlaubt. So sieht es eine Verordnung des Bundes vor, der die CDU-geführte Verkehrsverwaltung in Berlin ausdrücklich zugestimmt hat.

Was zunächst wie ein harmloser Verwaltungsakt daherkommt, um etwa Schrottboote bergen zu können, ist bei genauerem Hinsehen politisch motiviert: Es ist der Versuch, die Spree von unliebsamen Nutzerinnen und Nutzern zu säubern.

Vor allem in der Rummelsburger Bucht leben und feiern viele Menschen auf Booten, manche machen auch Lärm. Um künftig nicht belangt werden zu können, müssten sie ständig auf ihren Booten anwesend sein. Mal eben am Ufer Kaffee zu trinken oder einzukaufen, wäre nicht erlaubt.

Ginge es nach der seit dieser Woche von Ute Bonde (CDU) geführten Verkehrsverwaltung, sollte nicht einmal das mehr möglich sein. Sie fordert ein generelles Ankerverbot auf allen Berliner Gewässern. Betroffen wäre neben der Rummelsburger Bucht auch die Stille Krampe in Müggelheim sowie die Müggelspree. Dazu konnte sich der Bund bislang allerdings nicht durchringen.

Keine freie Spree

Wem gehört die Spree? Anders als bei der Frage, wem die Stadt gehört oder der weitgehend von Autos zugeparkte Straßenraum, ist Berlins wichtigstes Gewässer von politischen Debatten bislang weitgehend unberührt geblieben. Nur ab und an gibt es ein leises Staunen, wenn wieder die Forderung auftaucht, auf der Spree einen Wassertaxiverkehr einzurichten. Was in anderen Flussstädten zum Alltag gehört, ist in Berlin freilich unmöglich. Die meisten Anleger sind von den Reedern der Fahrgastschifffahrt gepachtet. Ein Monopol, das bislang weder der Bund noch der Senat brechen wollten oder konnten.

Dass es bislang kaum Protest gegen diese faktische Besetzung der Ufer gab, liegt auch daran, dass die „freie Spree“ kaum eine Lobby hat. Diejenigen, die auf ihr paddeln, haben sich damit abgefunden, dass die Spree von der Oberbaumbrücke bis zum Kanzleramtssteg für Boote ohne Motor und weniger als 15 PS gesperrt ist. So sieht es die „Binnenschifffahrtsstraßenverordnung“ vor. Denn auch wenn kaum mehr ein Frachtkahn am Kanzleramt vorbeifährt, ist die innerstädtische Spree Teil der „Spree-Oder-Wasserstraße“.

Dass nicht nur dort, wo Berlin auf festem Grund steht, von Verdrängung oder Gentrifizierung die Rede sein kann, sondern auch auf seinen Gewässern, zeigt das Beispiel Flussbad in Mitte. Die Freitreppe, die am Humboldt-Forum unterhalb der geplanten „Einheitswippe“ zum Ufer führen sollte, ist immer noch nicht in Angriff genommen. Bereits 2022 sollte mit dem Bau begonnen werden. Offiziell heißt es, Streitigkeiten zwischen Bezirk und Senat über die Unterhaltungskosten hätten zur Verzögerung geführt.

Tatsächlich könnten aber auch andere Interessen eine Rolle gespielt haben. Bereits 2015 hatte Hermann Parzinger, Chef der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, vor der Flussbadidee im Tagesspiegel gewarnt: „Hier werden Hunderte nicht nur baden, sondern feiern wollen. Ich empfehle einen Besuch am Schlachtensee oder in den Freibädern von Neukölln, Kreuzberg oder Pankow, dort ist die Situation längst gekippt. Unmengen von Müll, Polizei, Anwohnerklagen, Dauerparty, gute Nacht Museumsinsel!“

Hier die exklusive Museumsinsel, dort das Monopol der Fahrgastreedereien – und nun der Wunsch, die Wassermenschen wieder mit ihren Booten an die Ufer abzudrängen: Spree-Athen zeigt sich mehr und mehr von seiner wasserfeindlichen Seite. Ob sich mit dem Verbot, ankernde Boote nicht verlassen zu dürfen, etwas daran ändert? Könnte an der Spree ähnlich der Debatte um die Verkehrswende auf den Straßen, der Widerstand wachsen?

Die Aussichten sind nicht besonders groß. Diejenigen, die von der jüngsten Verordnung betroffen sind, überlegen bereits, sogenannte Ankerwachen einzurichten und so zumindest drohende Strafen zu umgehen. Vielleicht braucht es deshalb ein radikaleres Vorgehen. Macht die Flüsse zu Rechtssubjekten, heißt es seit geraumer Zeit, unter anderem in Polen, wo die Oder zuletzt im Sommer 2022 von einem Fischsterben betroffen war.

Wäre die Spree tatsächlich eine juristische Person, könnte sie – vertreten durch Umweltschützer, aber auch Nutzerinnen und Nutzer – nicht nur gegen das Ankerverbot vorgehen. Sie könnte auch einen freien Zugang für alle Boote zu ihren Ufern einklagen. Das wäre mal was!

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Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.

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