Die Partei Volt vor der Wahl: Eis am Stiel für die EU

Die junge Partei Volt will wieder ins EU-Parlament einziehen. Während andere Parteien nationale Interessen bedienen, setzt sie allein auf Europa.

Wahlkampfstand der Partei Volt mit Luftballons die für mehr Eis werben, die Farbe der Plakate ist lila

Lila Laune-Wahlkampf: Volt wirbt in Berlin um Stimmen Foto: Stefan Boness

BERLIN taz | Runde, lila Ballons schweben über der Menge. „Für mehr Eis“, ist darauf zu lesen. Befestigt sind sie passenderweise an einem Eisstand der Partei Volt, die an dem vergangenen Freitag zum Klimastreik in Berlin Wahlkampf machte. Ganz ohne Parteilogo und Flyer. Stattdessen verteilen die beiden deutschen Spit­zen­kan­di­da­t*in­nen Damian Boeselager und Nela Rhiel kostenloses Eis.

Für ein Gespräch bleiben die oftmals sehr jungen De­mo­teil­neh­me­r*in­nen selten stehen. Nur ab und zu kommt es zu einem Austausch. Der 38-jährige Boeselager erzählt dann von seiner Zeit im EU-Parlament. 2019 hatte er es nach Brüssel geschafft – als einziger Spitzenkandidat eines nationalen Ablegers der Partei. Diesmal soll mit Nela Rhiel, einer 38-jährigen Lehrerin aus Hamburg, eine zweite Abgeordnete für Volt Deutschland ins EU-Parlament einziehen.

Die Partei, 2018 gegründet, ist längst mehr als ein proeuropäisches Gedankenspiel. 0,7 Prozent holte Volt Deutschland bei der Europawahl 2019. Seitdem eroberten sie Sitze bei Kommunalwahlen in Italien und Deutschland und bei nationalen Wahlen in den Niederlanden und Bulgarien.

Ihr großes Ziel für die Europawahl ist nun eine eigene Fraktion im Parlament. Sie treten in insgesamt 14 Ländern mit nationalen Ablegern an. Eine gemeinsame, europäische Wahlliste, wie sie von Volt gefordert wird, ist gesetzlich nicht möglich. Doch wie erfolgreich kann Volt in Europa werden?

Junge Wäh­le­r*in­nen gesucht

Die junge Partei, das Mitglieds­alter liegt bei Mitte 30, hofft besonders bei jüngeren Wäh­le­r*in­nen mit ihrem Programm zu überzeugen. Sie präsentiert sich sozialliberal und progressiv, setzt sich für einen EU-weiten Kohleausstieg bis 2030, die Legalisierung von Seenotrettung und Arbeitsmigration ein. „Unser und auch mein großes Ziel im Parlament bleibt aber die Reform der EU“, sagt der ehemalige McKinsey-Mitarbeiter Boeselager.

Der Traum: Europa als ein Staat, ganz ohne Vetorecht der Mitglieder. „Wenn einzelne Staaten wichtige Gesetze blockieren, dann kommen wir nicht weiter. Es ist an der Zeit die EU zu reformieren“, sagt er. Die wichtigsten Entscheidungen, auch für Deutschland, würden in der EU getroffen werden: das Lieferkettengesetz, der Digital Service Act oder Verteidigungsfragen. Deshalb will Volt den Fokus auf die Idee eines wirklich gemeinsamen Europas legen.

Einen gemeinsamen Nenner mit allen nationalen Ablegern der Partei zu finden, sei nicht immer einfach, gibt Boeselager zu. In einem internen Chat tausche man sich über die gemeinsame Parteiarbeit aus und koordiniere die vielen Ableger in Europa. Doch erst im Frühjahr musste Volt lernen, dass eine gemeinsame europäische Idee nicht immer reicht.

Nach Debatten über den Nahost-Konflikt verließen drei deutsche Volt-Mitglieder die Partei. „Es haben sich Personen unwohl gefühlt und wir haben nicht schnell genug mit einer Moderation des Gesprächs reagiert“, gibt Boeselager zu. Weitere Fälle habe es bisher nicht gegeben.

Progressiv statt links

Um alle Parteimitgleider von Zypern bis zur Niederlande unter einem Dach zu vereinen, hat sich Volt auch nicht klar zwischen rechts und links definiert. „Progressiv sein kann in jedem Land etwas anderes heißen. Daher haben wir uns lieber auf Themen als auf politische Einordnungen konzen­triert“, sagt Boeselager.

Bei den Demonstrierenden, die sich ein Eis abholen, kommt diese Idee nur bedingt an. Volt kenne man vom Wahl-o-mat oder aus Referaten in der Schule, erzählen sie. „Ich bin mir nicht ganz sicher, wofür die Partei noch steht. Auf ihren Plakaten werben Sie für Klimaschutz, man hört aber auch wirtschaftsliberale Positionen“, erzählt eine Studentin. Wählen will sie die Partei nicht.

Die lila Plakate mit Slogans wie „Für mehr Eis“ oder „Sei kein Arschloch“, oftmals unter Afd-Plakaten angebracht, blenden ihre proeuropäische Grundidee oftmals aus, sagt Wolfgang Schroeder, Politikwissenschaftler an der Uni Kassel. „Volt versteht sich als kosmopolitische Partei, die zukunftsorientiert agiert. Doch sie löst sich im nationalen Wahlkampf von dieser Idee.“

Nicht mehr als eine Kleinstpartei

In Zeiten, in denen nationale Interessen und nationalistische Parteien erstarken, sei es wünschenswert, dass es Parteien gebe, die diesen genau diesen Nationalismus kritisieren. Wohl um ein jüngeres Publikum zu erreichen, setze die sonst eher elitäre Partei auf einfache Ansprachen.

Für Schroeder bleibt Volt eine Kleinstpartei. „Die breite Masse spricht eine Pro-Europa-Partei nicht an. Etablierte Parteien müssen auch die nationalen Bedürfnisse ihrer Wähler ansprechen. Es ist ein Privileg von einer kleinen Partei, sich ausdrücklich auf europäische Interessen zu fokussieren.“

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