„Weser-Kurier“ fährt seine Räder auf Verschleiß

Die Zeitung hat ihr Fahrradverleihsystem extrem ausgedünnt. Aber es gibt Hoffnung: Der Bremer Senat sucht einen neuen Betreiber für ein stadtweites Bikesharing

Warten auf die Reparatur: Leihräder des „Weser- Kuriers“ Foto: Eckhard Stengel

Von Eckhard Stengel

Wenn Pressehäuser nicht mehr genug Geld mit ihren Zeitungen verdienen, gehen sie gern fremd: Sie suchen sich zusätzliche Geschäftsfelder. Das Hamburger Abendblatt zum Beispiel verkauft auch „Spaghetti-Eis-­Likör“, „Hamburg-Hocker“ und Strandkörbe.

Nur zwei Tageszeitungsverlage haben sich bisher als Fahrradverleiher versucht: Die Sächsische Zeitung war 2014 Vorreiterin, doch 2020 gab sie „SZ-Bike“ an die Dresdner Verkehrsbetriebe ab. Der Bremer Weser-Kurier (WK) hat bis heute durchgehalten. Er brachte sein „WK-Bike“ 2018 auf die Straße, in Zusammenarbeit mit dem überregionalen Verleiher Nextbike und mit Unterstützung der Bremer Straßenbahn AG sowie der Bremer Wirtschaftsförderung.

Rund 500 Unisex-Räder wurden in der Stadt verteilt, sodass sie fast an jeder größeren Straßenkreuzung standen, buchbar per Nextbike-App. Also ein niedrigschwelliges Angebot für Einheimische, aber auch für Bremen-Besucher, soweit sie bei „Nextbike“ registriert sind.

Doch inzwischen ist WK-Bike auf Talfahrt: Seit vielen Monaten wird es immer schwerer, freie Räder zu finden. Zwar stehen hier und da noch welche am Straßenrand, aber viele davon lassen sich nicht mehr buchen.Vermutlich hat die letzte Nutzerin einen Schaden gemeldet und das Rad wurde deshalb stillgelegt – aber nicht zur Reparatur gebracht. Vor allem im vergangenen Jahr standen ausrangierte Räder manchmal monatelang auf dem Bürgersteig herum.

Allmählich hat die Zahl der Radleichen in der Stadt wieder abgenommen. Viele stehen jetzt auf einer Art Sammelplatz in Bremen-Vahr: Vor und hinter einem ehemaligen Fahrradladen drängen sich hier fast hundert defekte Räder. Einige haben schon Spinnweben angesetzt.

Zwischen den Bremer Exemplaren finden sich auch einzelne aus dem benachbarten Oldenburg, wo der WK-Verlag „Bremer Tageszeitungen AG“ (BTAG) ebenfalls ein Verleihsystem betreibt, namens „OLi-Bike“.

Beim Blick auf die digitalen Standortkarten können Bremer nur neidisch werden: Der Oldenburger Stadtplan ist übersät mit Markierungen für freie Räder, während in Bremen regelmäßig nur noch etwa 50 Treffer angezeigt werden, von einst 500.

Warum lässt die Verlagstochter „WK-Bike“ ihren Fuhrpark so verkommen? BTAG-Vorstand David Koopmann sagt dazu auf taz-Anfrage, aus dem Verkehr gezogene Räder würden durchaus repariert und wieder „ins System gebracht“; aber das Unternehmen investiere derzeit nicht neu, weil seit Mitte April eine Ausschreibung des Bremer Mobilitätsressorts läuft – für die Vergabe einer „Konzession für den Betrieb eines öffentlichen Bikesharing-Systems“. Falls sich die BTAG daran beteilige und den Zuschlag bekomme, werde der Fuhrpark wieder ausgebaut.

In Hamburg betreibt die Deutsche Bahn das Leihsystem „Stadtrad“ mit festen Stationen. Die Nutzung ist in der ersten halben Stunde kostenlos.

Fast 4.000 Stadträder sind zurzeit im Einsatz. 2023 wurden sie rund 1,5 Millionen Mal ausgeliehen – nur noch halb so häufig wie im Rekordjahr 2016.

Den Einbruch erklärte die Stadt zunächst mit der Pandemie. Zuletzt ist die Nutzung jedoch gegenüber 2022 nochmals um fast ein Drittel zurückgegangen.

Gegensteuern wollen Stadt und Bahn nun mit einer Modernisierung der Flotte und einem Ausbau der Leihstationen in weniger zentralen Stadtteilen.

Schon 2019 hatten SPD, Grüne und Linke im Koalitionsvertrag einen öffentlichen Fahrradverleih angekündigt und dies zu Beginn ihrer zweiten Amtszeit 2023 bekräftigt. Auf die BTAG dürfte das verunsichernd gewirkt haben: Droht da eine subventionierte Konkurrenz? Oder könnte „WK-Bike“ das System betreiben? Und wann kommt endlich die Ausschreibung? Diese Hängepartie könnte erklären, dass die BTAG ihren eigenen Verleih auf Verschleiß fuhr.

Dass die Stadt erst jetzt mit der Konzessionsvergabe beginnt, begründet ein Sprecher des Mobilitätsressorts mit „personellen und verfahrenstechnischen Gründen“. Noch bis zum 16. Juni läuft jetzt die europaweite Ausschreibung. Zum 1. Mai 2025 soll dann das neue System auf die Straße kommen: mit mindestens tausend Standardrädern und 40 Lastenrädern ohne E-Motor. 30 Prozent der Bikes sollen an festen Stationen stehen und 70 Prozent frei im Stadtgebiet verfügbar sein, zu „attraktiven Buchungspreisen“.

Als Anschubfinanzierung stellt die Stadt Bremen 5,55 Millionen Euro bereit, vor allem für die Anschaffung der Räder und den Aufbau der Stationen, aber auch als Zuschuss zu den Betriebskosten. Dazu gehört auch, dass keine Station länger als zwölf Stunden verwaist sein darf – ein Service, von dem die „WK-Bike“-Nutzer*innen derzeit nur träumen können.