Die Wahrheit: Die Erben der Klimakiller

Im Café Gum rückt den Boomern die nächste Generation auf die Tresenpelle. Und die ist schwersauer auf ihre Eltern, diese Hänger und Versager.

Unter viel Getöse stampften Bennie und seine Kumpels herein, und Luis zog den Kopf ein, denn sein Sohn und dessen Freunde kamen nie ins Café Gum, außer sie hatten sehr schlechte Laune und wollten uns für einen Missstand anklagen, für den wir Boomer persönlich verantwortlich waren. Ihre Nasen waren blau gefroren und in ihren Haaren hingen noch die glitzernden Reste des Schneegestöbers, das mitten im Frühling plötzlich über dem Goetheplatz niedergegangen war.

„Das habt ihr echt super hingekriegt!“, fluchte Bennie und putzte sich laut trompetend die Nase. – „Ähm … – was jetzt?“, fragte Raimund. – Bennie rollte entnervt die Augen. „Klimawandel? Schon mal gehört, Alterchen? Oder wieder vergessen?“ – Raimund grinste. „Neulich hast du uns noch die Schuld für endlose Dürreperioden und tausende Hitzetote in die Schuhe geschoben. Langsam musst du dich entscheiden.“

Bennie seufzte und knuffte Felix-the-brain in die Seite. „Erklärs ihm“, murmelte er, und Felix-the-brain hielt ein ausführliches Referat über schmelzendes Arktikeis, den zusammenbrechenden Golfstrom und die in der Folge trotz allgemeiner Klimaerwärmung in Mitteleuropa stark sinkenden Temperaturen. „Bis zu fünfzehn Grad weniger als heute sind drin“, fasste Bennie zusammen. „Und die Boomer sind schuld.“

„Hui, fünfzehn Grad, das ist kalt“, murmelte Raimund und fröstelte unwillkürlich. – „Und wir haben die Schuld“, sagte Theo, „du, ich, Luis…“ – Raimund nickte. „Natürlich. Wir haben an allem die Schuld: An der Pest vor 750 Jahren, dem Untergang Roms, der Vertreibung aus dem Paradies am Anbeginn aller Zeiten.“ – „Eva, eine Boomerin?“, warf Theo ein, und Raimund sagte: „Noch schlimmer: Wir sind Eva – du, ich, Luis …“

Bennie starrte sie finster an. Er war noch wütender geworden.

„Weißt du“, sagte Luis und versuchte diese versöhnlerische Vater-Sohn-Nummer, „sie finden es ungerecht, mit den anderen Boomern in einen Topf geworfen zu werden. Immerhin haben wir schon in den Achtzigern gegen Luftverschmutzung, Giftmüllverklappung und den ganzen Scheiß demonstriert.“

Raimund und Theo nickten eifrig. – „Wir haben keins von den Verbrechen begangen, die ihr den Boomern vorwerft“, fuhr Luis fort: „Wir haben kein Riesenhaus gebaut, wir fahren keinen SUV, wir fliegen nicht zweimal im Jahr in den Süden. Wir haben immer verzichtet, um den Kapitalismus von innen auszutrocknen.“ – „Genau!“, krähte Raimund: „Wir haben nix verbrochen und sind trotzdem die Schurken. Das ist nicht gerecht!“

„O doch, es ist sehr gerecht!“, knurrte Bennie: „Denn während die anderen Boomer-Kids der Apokalypse durch die riesigen Panoramafenster der gut geheizten Bungalows zuschauen dürfen, die sie von ihren Eltern geerbt haben, müssen wir uns in zugigen Bruchbuden den Arsch abfrieren, weil ihr Loser uns nicht mal Geld für einen Sack Kohle hinterlassen habt!“

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Joachim Schulz wurde 1963 an der Nordseeküste geboren und in Regen, Wind und Nebel großgezogen. Er lebt mittlerweile in einer kleinen Welt in der hessischen Provinz, wo unablässig die großen Fragen des Lebens erörtert werden, und ist seit 1996 im Einsatz für Die Wahrheit.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

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