Militärische Forschung an Unis: CDU schießt gegen Zivilklausel

Die Verpflichtung der Bremer Hochschulen, nicht für militärische Zwecke zu forschen, sei nicht zeitgemäß. Untergraben wurde die Klausel schon früher.

Eine Drohne mit der Aufschrift "Direct Targets" von Airbus steht in der bundesweit ersten Drohnen-Ausstellung «Game of Drones".

Die Bremer CDU greift die Zivilklausel an und will der Uni militärische Forschung ermöglichen. Doch die wird eh schon praktiziert Foto: Felix Kästle/dpa

BREMEN taz | „Ausschließlich friedliche Zwecke“ sollen die Hochschulen im Land Bremen verfolgen – so sagt es das Gesetz. Die Bremer CDU würde das gerne ändern und in Zukunft auch weniger friedliche Forschungsvorhaben erlauben. Die Vorgabe des Landes, dass sich Hochschulen eine Zivilklausel geben müssen, solle gestrichen werden. „Zeitenwende auch im Land Bremen wagen“, heißt es im Bürgerschaftsantrag der Fraktion in Bezug auf das Schlagwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Ein „Verbot von militärischer Forschung“ und von „Einwerbung von entsprechenden Drittmitteln“ erscheine nicht mehr zeitgemäß angesichts der geopolitischen Herausforderungen. Es brauche einen „neuen Blick auf die Militärforschung an Bremischen Hochschulen“, fordert die CDU. Schließlich sei die Verteidigungsfähigkeit eine Voraussetzung für Frieden – und Deutschland habe hier großen Nachholbedarf.

Die Zivilklausel war ursprünglich eine reine Selbstverpflichtung. Die Uni Bremen hatte sich aus einem linken Selbstverständnis heraus schon 1986 eine solche Regelung gegeben – als erste Hochschule bundesweit, nur in Japan gab es damals bereits Vorbilder.

„Der Akademische Senat lehnt jede Beteiligung an Wissenschaft und Forschung mit militärischer Nutzung beziehungsweise Zielsetzung ab und fordert die Mitglieder der Universität auf, Forschungsthemen und -mittel abzulehnen, die Rüstungszwecken dienen können“, heißt es in der Zivilklausel. Die Hochschulen Bremen und Bremerhaven folgten dem Vorbild 2012.

Kooperationen mit Rüstungsindustrie

Doch trotz der freiwilligen Selbstverpflichtung gab es immer mal wieder Kooperationen mit der Rüstungsindustrie: Die Uni zählte 2013 in einer selbst in Auftrag gegebenen Recherche für den Zeitraum von 2003 bis 2011 mindestens zwei Dutzend Forschungsarbeiten, die „in Zusammenarbeit mit militärisch aktiven Firmen“ entstanden waren. Unter anderem finanzierte das Pentagon ein Weltraumforschungsprojekt.

Damals war das ein Grund für einige Aufregung. Junge Grüne und Jusos in Bremen waren sich einig, dass Militär und Waffen grundsätzlich abzulehnen sind – und konnten sich mit dieser Ansicht sogar bei den jeweiligen Mutterparteien durchsetzen. 2015 verankerte das damals rot-grün regierte Bremen nach mehrjähriger Diskussion in seinem Hochschulreformgesetz einen neuen Paragraphen, der den Bremer Hochschulen die zivile Forschung und Lehre vorschrieb.

Die Hoffnung war, dass eine Verankerung im Bremer Hochschulreformgesetz Rechtssicherheit geben sollte. Doch der tatsächliche Nutzen ist heute unklar: 2016 kooperierte die Hochschule Bremen direkt mit der deutschen Armee und übernahm einen Teil der Grundausbildung für Verwaltungsangestellte der Bundeswehr im dualen Frauenstudiengang Informatik.

Das ganze sei gesetzeskonform, hieß es vom Bremer Senat auf Nachfrage: Schließlich sei die Bundeswehr als Verteidigungsarmee ja dem Frieden verpflichtet. „Mit dieser Argumentation darf die Bundeswehr an jeder Hochschule Forschung und Lehre betreiben“, stellte die Sprecherin der damaligen Oppositionspartei Die Linke gegenüber der taz fest. „Für den Senat spielt die Unterscheidung in nicht-militärische Partner und militärische Partner keine Rolle mehr.

Nutzung für zivile – und für militärische Zwecke

Außerdem hat es auch weiterhin Kooperationen mit der Rüstungsindustrie gegeben: Die Uni ließ sich seit 2012 für zehn Jahre lang eine Professur zur Raumfahrttechnologie vom Rüstungskonzern OHB stiften; gleichzeitig trug und trägt die Forschung an der Uni auch zur Entwicklung der Satellitensysteme an der OHB bei, die zwar zum Teil zivilen Zwecken dienen, zum Teil aber auch von der Bundeswehr genutzt und in Auftrag gegeben werden.

Solche „Dual-Use-Projekte“, die sowohl militärischen, als auch zivilen Zwecken dienen, wurden von Kri­ti­ke­r*in­nen von Beginn an als Einfallstor für militärische Forschung trotz Zivilklausel identifiziert. Ausgerechnet das kommt den Grünen jetzt bei der Argumentation gegenüber der CDU entgegen. Grüne und SPD wollen dem CDU-Antrag nicht folgen und die Zivilklausel erhalten.

Die CDU verweist in ihrem aktuellen Antrag auf eine Studie der Expertenkommission Forschung und Innovation: Durch Kooperation zwischen militärischen und zivilen Sektoren könne man Leistungs- und Effizienzsteigerungen erzielen, die vielen Zivilklauseln an deutschen Hochschulen würden das verhindern.

Der Verweis auf die Studie soll die Bremer Regierungsfraktionen ebenso wie der Verweis auf die Zeitenwende in Erklärungsnot bringen. Schließlich hat der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sich seit Anfang März positiv auf die Studie bezogen – und gefordert, man müsse „die strikte Trennung von militärischer und ziviler Forschung und Entwicklung überdenken“.

Dass die Trennung so strikt in der Praxis gar nicht ist, nutzen die Grünen jetzt für sich. „Synergieeffekte sind auch mit der in Bremen geltenden Zivilklausel nicht komplett auszuschließen“, sagt Franziska Tell, wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen.

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