Abschied von Tennislegende Rafael Nadal: Herausforderung des Loslassens

Nadal unterliegt gegen Alexander Zverev und wird bei den French Open wohl nicht mehr antreten. Olympia ist noch ein Ziel, alles weitere unklar.

Nadal applaudiert mit den Händen über seinem Kopf

Abgang mit Applaus: Nadal nach der Erstrundenniederlage gegen Zverev Foto: Yves Herman/reuters

Die kleine spanische Musikkapelle hoch oben unter dem Dach des Court Philippe Chatrier versuchte es immer wieder. Unermüdlich heizten die vier Musiker mit ihren Pauken und Trompeten dem Publikum ein. Und die Fans fingen ja auch Feuer. Als Rafael Nadal den Platz betrat, brandete ein ohrenbetäubender Lärm auf.

Vielleicht war es noch nie so laut bei einem Tennisspiel wie zu diesem Zeitpunkt am Montagnachmittag im Stade de Roland Garros von Paris. Nadal traf in seiner Erstrundenbegegnung bei den French Open undankbarerweise auf Alexander Zverev. Weil der Spanier wegen verschiedener Verletzungen und daraus folgenden langen Pausen in der Weltrangliste weit nach hinten zurückgefallen ist, kam es bei den French Open eben schon sehr früh zu dieser Paarung, die, wie Zverev später sagte, sich „wie ein Finale“ angefühlt hatte.

Die besondere Brisanz war auch deshalb gegeben, weil niemand wusste, ob es bei einer Niederlage vielleicht Nadals allerletzter Auftritt bei den French Open sein würde. 14 Mal hat der Mallorquiner das Turnier schon gewonnen. Sie nennen hier den „König von Paris“. Nach seiner Dreisatzniederlage (3:6, 6:7 und 3:6) steht fest: Sie werden ihn auch weiter den „König von Paris“ nennen, aber der König ist müde – und er wird wohl bald seinen Thron räumen. „Es ist eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ich nicht zurückkehre. Ich hoffe, euch wiederzusehen, aber ich weiß es noch nicht“, sagte Nadal hinterher im „On-Court-Interview“ mit dem legendären Roland-Garros-Sprecher Marc Maury.

Der Spanier wirkte in den Momenten nach seinem Ausscheiden seltsam zaghaft, aber irgendwie auch sehr bei sich. Nadal kennt seinen geschundenen Körper, alles hängt von ihm ab. Gegen Zverev hatte der fast 38-Jährige seine Chancen. Im zweiten Durchgang gelang ihm ein Break und er schlug selber zum Satzgewinn auf. In dieser Phase blitzte seine wunderbare kraftvolle und gleichzeitig elegante Spielweise wieder auf. Der unvergleichliche Vorhand-Topspinschlag weit über die rechte Schulter gezogen, kam jetzt regelmäßig. Aber der kühle und gerade vor Selbstvertrauen nur so strotzende Zverev konterte mit präzisen und druckvollen Grundlinienschlägen. Das Spiel des Deutschen war zu schnell für Nadal, zu hart.

Rückkehr nach Paris im Sommer

Das Match war nicht so einseitig, wie man vorher hätte vermuten können. Und daran hielt sich hinterher auch Nadal fest. „Ich habe vor allem mir selbst bewiesen, dass ich kompetitiv und zu mehr bereit war, als das, was am Ende dabei rauskam“, sagte er. „Wenn er gesetzt gewesen wäre und zwei, drei Matches gehabt hätte, wäre er nach zwei, drei Runden wieder zum Favoriten geworden“, befand Zverev. Am Montag war nicht die Zeit, Nadal abzuschreiben, oder gar Fragen zu seinem Karriereende zu stellen. Niemand wagte das im Anschluss. Es ging eher darum, wie es jetzt weitergehen könnte.

Nadal, so schien es, hat einen klaren Plan. Er will für die Olympischen Spiele noch einmal nach Paris zurückkehren. Das Turnier in ein paar Wochen wird wieder auf den Sandplatz-Courts von Roland Garros stattfinden, auf seinem Belag also. Was dann folgt, ist total offen. Er wolle seine „Ideen sortieren“, so formulierte es Nadal selber. „Wenn ich das Spiel weiter genießen kann, dann mache ich weiter. Aber heute ist nicht der Tag, um das zu entscheiden.“

Der Spanier, der in seiner nun fast 20 Jahre lang andauernden Karriere sagenhafte 22 Grand-Slam-Titel gewonnen hat, wirkte am späten Montagabend auch wie ein innerlich zerrissener Tennisprofi, der nicht loslassen kann, der aber gleichzeitig weiß, dass es nicht mehr lange gut gehen wird. Auch wenn der Körper gerade wieder etwas besser mitmacht.

Aber die Erinnerung an die schweren Zeiten bekommt Nadal nicht so schnell aus dem Kopf. Auch das scheint ein Problem. „Ich war am tiefsten Punkt: was Schmerzen betrifft, was Selbstvertrauen betrifft, was die mentale Verfassung betrifft“, sagte er. „Manchmal wache ich auf und denke, eine Schlange hat mich gebissen. Manchmal ist es ein Tiger.“ Nadal, das konnte man vor, während und nach dem bitteren Aus gegen Zverev an seinem Sehnsuchtsort in Paris gut beobachten, ist an einer Art Kipppunkt angekommen. Für ein paar glorreiche Momente auf dem Court reicht es immer noch, aber alles ist extrem fragil und das ganze rissige Gebäude kann im nächsten Moment einstürzen.

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