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Misere der PflegekasseAbstieg in die Unterversorgung

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Solidarität heißt, die finanzielle Last breit zu verteilen. Eine Individualisierung der Pflege wäre ein Rückschritt.

Der Sozialstaat versus Individualisierung der Pflege Foto: Westend6/imago

N un herrscht wieder Alarm. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt! Und es fehlen Hunderttausende von Pflegekräften. Was tun? Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat bereits erklärt, eine Finanzreform der Pflege sei in dieser Legislaturperiode mit der Ampel-Regierung nicht zu machen. Es geht also weiter wie bisher. Das Pflegerisiko wird zunehmend individualisiert. Deutschland befindet sich in der Pflege auf dem Weg in die Unterversorgung.

Wer pflegebedürftig wird, womöglich in einem höheren Pflegegrad, muss steigende Eigenanteile selbst bezahlen, ob für den Heimaufenthalt oder die Versorgung daheim durch ambulante Dienste. Um den Besitz, das Häuschen, zu schützen und nicht zum Sozialfall zu werden, werden die Aufträge von den Pflegebedürftigen nicht selten gekürzt. Dann wird die alte Dame oder der alte Herr eben nur noch alle zwei Wochen geduscht. Die Inkontinenzvorlage wird nur noch einmal am Tag gewechselt.

Essen und Trinken wird nur noch so hingestellt. Mit der Individualisierung vermeidet man in der Politik den Streit um die Finanzierung der Pflegekosten. Inwieweit kann man die Pflegebeiträge erhöhen, was die Krankenkassen jetzt schon ankündigen? Höhere Beiträge belasten die Arbeitslöhne. Welche Steuermittel könnte man einsetzen? Steuererhöhungen für die Pflege stehen nicht auf der Agenda der Ampel-Regierung. Soll man private und gesetzliche Pflegeversicherung zusammenlegen?

Das ist kompliziert und der Ertrag wäre begrenzt. Trotzdem müssen all diese Fragen angegangen werden. Sonst entwickelt sich die Pflege wieder zurück in die Verhältnisse des vergangenen Jahrhunderts, als fast alle Pflegekosten selbst bezahlt werden mussten. 80 Prozent der Pflegeheimbewohner bezogen Hilfe zur Pflege vom Sozialamt. Eine Pflegekasse gab es nicht. Dahin zurück will heute niemand.

Dafür muss man sich ehrlich machen. Die Gesellschaft der Langlebigen hat ihren Preis. Wie breit diese Belastung verteilt wird, sagt etwas aus über den Solidaritätslevel im Sozialstaat.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).