Die peinlichste Sportart der Welt: Joggen ist so traurig…

Persönliche Bestmarken, Halbmarathon, Marathon. Unser Autor ist kurz auf den Hype reingefallen. Doch jetzt ist er wieder bei klarem Verstand.

Die Füße eines Joggers, der auf einem regennassen Weg läuft.

Besonders traurig: Laufen im Regen Foto: Florian Gaul/imago

Seit ein paar Monaten sind sie wieder überall. Die Läu­fer:in­nen. Im Park drehen sie schnaufend ihre Runden, auf Instagram geben sie damit an, dass sie für einen Halbmarathon trainieren, und auch in meinem Freundeskreis geht es immer mehr um die Bestmarken auf fünf bis zehn Kilometern.

Ich muss zugeben: Auch mich hat der Hype erwischt, ich habe mich mitreißen lassen und mich zum Berliner Halbmarathon angemeldet. Und es sehr bereut. Jetzt bin ich wieder bei Verstand und mache Sport, der tatsächlich Spaß macht. Laufen gehen zählt auf keinen Fall dazu. Wer etwas anderes sagt, lügt sich entweder selbst an oder hatte einfach noch nie wirklich Spaß beim Sport.

Laufen gehen ist Masochismus, ideenloses Muskelstählen und simples Mittel zum Zweck. Allein die Ausrüstung: Natürlich kann man einfach ein Paar Sportschuhe nehmen und drauf losjoggen, aber das machen heutzutage die wenigsten.

Echte Läu­fe­r:in­nen müssen scheinbar optimierte Sport-Cyborgs sein, mit einer Sportuhr für den Puls, Carbon in der Schuhsole zur besseren Abfederung und Kompressions­socken, damit die Füße länger durchhalten. Eine Tracking-App ist sowieso immer aktiviert. Diesen Equipment-Fetisch haben Läu­fe­r:in­nen übrigens mit Renn­rad­fah­re­r:in­nen gemeinsam.

Ich kenne niemanden, der beim Fußballspielen jemals getrackt hat, wie viele Kilometer er gelaufen ist. Das Ganze ist nicht nur elitär, sondern vor allem eins: spaßbefreit. Es mag die Performance steigern, aber muss das in der Freizeit unbedingt sein? Kei­ne:r von uns wird je an den Olympischen Spielen teilnehmen. Wieso tun alle so, als müssten wir darauf hin trainieren? Haben wir nicht schon genug Druck im Alltag?

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Wenn ich das zu Läu­fe­r:in­nen sage, ist das häufigste Gegenargument das sogenannte „runner’s high“, das viele von ihnen regelmäßig er­fahren. Der Körper schüttet dabei ein Übermaß an Endorphinen aus, plötzlich tut alles nicht mehr so sehr weh und man könnte ­gefühlt ewig weiterlaufen.

Auch ich habe das schon ein paarmal erlebt. Aber bitte, ist das unser Ziel beim Sport? Eine hor­monelle ­Reaktion in unserem Gehirn, die dafür sorgt, dass wir uns gut fühlen, weil wir uns hart genug gequält haben? Dann könnte ich ja gleich den einen Sport machen, der noch stupider als Joggen ist: Pumpen im Gym.

Nein, beim Sport möchte ich nicht wissen, wie viele Kalorien ich verbrannt oder wie viele persönliche Rekorde ich aufgestellt habe. Ich will einfach Spaß haben und mich bewegen. Team- und vor allem Ballsport­arten sind dafür perfekt. Es gibt ständig kleine Erfolgserlebnisse, man hat von der ersten bis zur letzten Minute eine gute Zeit und nicht erst am Ende, wenn einen der Körper für die Ertüchtigung belohnt.

Dabei geht es nicht nur um den Wettbewerb, den hat man ja schließlich auch beim Joggen. Es geht um Kreativität, Witz, Kommunikation, und ja, auch Schönheit. Der kluge Spielzug, der perfekt gelingt, das komische Missverständnis zwischen Mitspieler:innen, über das alle gemeinsam lachen, die Sprüche und Jokes, die am laufenden Band herumfliegen, oder der genia­le Ball, der alle für einen Augenblick innehalten und staunen lässt. Eine Frage an die Läufer:innen: Habt ihr solche Momente auch beim Joggen?

Jetzt kommt mir bloß nicht damit, dass Laufen so meditativ ist. Auch das ergibt keinen Sinn. Geradeaus laufen schaffen die meisten ohne Probleme. Der Kopf hat also alle Zeit der Welt, über all die Dinge nachzudenken, die man eigentlich vergessen wollte. Kein Wunder, dass die meisten Läu­fe­r:in­nen Musik oder Podcasts hören, um ihre Gedanken zu übertönen.

Bei Ballsportarten ist das anders. Wer da ins Grübeln gerät, hat direkt den Anschluss verpasst. Also, liebe Läu­fer:in­nen: Probiert doch mal einen anderen Sport aus. Bewegung kann nämlich wirklich richtig viel Spaß machen.

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