Umfrage der Europäischen Handelskammer: Pessimistischer Blick auf China
Sinkende Gewinne, schwieriges Umfeld: Laut der jährlichen Geschäftsklimaumfrage haben EU-Firmen noch nie so negativ auf Chinas Wirtschaft geblickt.
Kurzum: Noch nie war die Stimmung unter europäischen Unternehmen auf dem chinesischen Markt derart schlecht. Nur 15 Prozent der befragten Handelskammermitglieder führen China als Top-Destination zum Investieren an – ein historisches Rekordtief. Zudem geben 68 Prozent an, dass das Geschäftsumfeld erneut schwieriger geworden ist, auch das stellt einen Negativrekord dar. Fast die Hälfte geht zudem von sinkenden Profiten aus.
Die Resultate sind umso erstaunlicher, als dass viele Antworten der Konzerne selbst während des Lockdown-Jahrs 2022 – also auf dem Höhepunkt der Null-Covid-Politik – positiver ausfielen. „Ich hatte allgemein erwartet, dass unsere Mitglieder einen Wendepunkt in Bezug auf ihren Pessimismus wahrgenommen hätten. Aber das scheint nicht der Fall zu sein“, sagt Eskelund. Es geht weiter bergab.
Die Worte des dänischen Wirtschaftslobbyisten wurden wissbegierig von Dutzenden Journalisten aufgenommen, die sich an diesem Vormittag in den proppenvollen Konferenzraum der Handelskammer eingefunden hatten. Auch Botschaftsvertreter kamen zahlreich, und erstmals seit der Pandemie erschien auch wieder ein Vertreter des chinesischen Handelsministeriums. Während der ersten halben Stunde der Präsentation hob er jedoch kaum den Blick von seinem Smartphone. Vielleicht fiel die Botschaft, die auf den Powerpoint-Folien präsentiert wurde, ein wenig zu drastisch aus.
Zweifelhafte Wachstumsraten
„Die europäischen Unternehmen sind zunehmend besorgt über die chinesische Binnenwirtschaft“, sagt Eskelund. Auf den ersten Blick mag eine solche Aussage etwas befremdlich anmuten, schließlich wird das chinesische Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr voraussichtlich um 5 Prozent wachsen. Doch wichtig ist der Kontext: Zum einen nehmen die meisten Experten die exakten Zahlen aus China nicht für bare Münze, sondern werten sie eher als grobe Stoßrichtung. Zudem sagt das rein numerische Wachstum nur wenig darüber aus, ob es den Leuten einen wirklich wahrnehmbaren Fortschritt liefert – und ebenso, ob die europäischen Unternehmen davon profitieren.
„Wir interessieren uns immer weniger für die reinen BIP-Wachstumszahlen – ob sie nun 4, 5, 7 oder 8 Prozent betragen. Das ist für uns nicht wirklich relevant. Was für uns zählt, ist die Zusammensetzung des BIP-Wachstums“, sagt Kammerpräsident Eskelund. Wenn das Wachstum durch stärkeren Konsum angetrieben würde, dann schlüge sich dies auch in den Bilanzen der Unternehmen nieder. Wenn Chinas Lokalregierungen jedoch lediglich in zusätzliche Produktionskapazitäten investieren, für die es bereits jetzt keine ausreichende Nachfrage gibt, dann sei niemandem geholfen.
Und das schließt auch die chinesischen Firmen mit ein. Denn selbst bei den Kernindustrien, die Xi Jinping zur nationalen Priorität erhoben hat, bleiben den Marktführern kaum Profite. Solarzellen sind das beste Beispiel: Nachdem Xi seine Industriepolitik mit flächendeckenden Subventionen angekurbelt hat, haben zwar chinesische Produzenten in Windeseile mit Dumpingpreisen die europäische Branche ausradiert. Doch sie verdienen nicht daran. „Massive Überkapazitäten in der Produktion haben die Preise für Solarkomponenten in den freien Fall getrieben“, heißt es in einer Mitteilung des Analysehauses „Trivium China“: „Die Preise in der gesamten Solarlieferkette sind unter die Produktionskosten selbst der größten und kosteneffizientesten Hersteller der Branche gefallen“.
Überhitzte Märkte
Jeder Industriezweig, den Chinas Staatsführung für ihre Industriepolitik auswählt, sei in Bezug auf Profitabilität geradezu zum Scheitern verurteilt, sagt Jens Eskelund. Er bezeichnet den staatlichen Fingerzeig sogar als „Todeskuss“: Denn sämtliche chinesische Investoren folgen der politischen Richtung, überhitzen schließlich den Markt – und müssen schlussendlich von den Lokalregierungen vor einer Pleite gerettet werden.
Gerade für Deutschland ist all dies keine gute Nachricht, denn mit dem Aufstieg chinesischer E-Auto-Produzenten sieht man nun einen der wichtigsten heimischen Wirtschaftszweige in direkter Konkurrenz zu Chinas „nationalen Champions“. Und auch wenn ihr Aufstieg sicherlich eine Erfolgsstory ist: Bislang schreibt als einziges chinesisches Unternehmen BYD nennenswerte Gewinne. Alle anderen leiden massiv unter dem derzeitigen Preiskampf.
Dass sich die Lage aus Sicht der Europäer grundsätzlich bessert, ist vorerst nicht in Sicht. Denn die allermeisten Kritikpunkte werden von der chinesischen Seite kategorisch negiert. Überkapazitäten gibt es laut Xi Jinping und Premier Li Qiang nicht. Sie betonen, dass chinesische Produkte schlicht wettbewerbsfähiger seien. Dass gleichzeitig heimische Wirtschaftswissenschaftler, ja sogar das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie zuletzt vor Überkapazitäten in der Batterieproduktion warnen, verschweigen sie.
Kammerpräsident Eskelund betont nüchtern, dass beide Seiten sich in Ruhe zusammensetzen müssten, um die Probleme zu besprechen. Doch wichtig sei, fügt der Manager an, dass man die bestehenden Probleme überhaupt erst einmal anerkenne. Bislang scheint dies nicht der Fall zu sein.
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