Bettelverbot in Hamburger U-Bahnen: Keine kleine Spende mehr

Die Hamburger Hochbahn will das Bettelverbot in U-Bahnen strikter durchsetzen. Das Obdachlosenprojekt Hinz&Kunzt hält das Verbot für grundrechtswidrig.

Eine Person mit einer Krücke hält einen Pappbecher.

Will die Hamburger Hochbahn nicht in der U-Bahn sehen: Bettelnde Person Foto: dpa | Arno Burgi

HAMBURG taz | Menschen, die durch U-Bahn-Wagen gehen und – bisweilen mit einer kleinen Ansprache – um ein paar Cent oder etwas zu essen bitten, sind in Hamburg ein vertrauter Anblick. Die städtische Hamburger Hochbahn will dem jetzt verstärkt entgegenarbeiten und das Betteln möglichst unterbinden. Fahrgastvertreter begrüßen das. Das Obdachlosenprojekt Hinz&Kunzt dagegen hält ein Bettelverbot in Bahnen und Bahnhöfen für unzulässig.

Laut den Beförderungsbedingungen ist das Betteln in den Anlagen der Hochbahn ebenso verboten wie das Trinken, Rauchen oder Musizieren. Das ist schon lange so. Neu ist, dass die Hochbahn das konsequenter durchsetzen möchte. Sie tut das mit neuen Durchsagen, die auf das Verbot hinweisen. „Das erleichtert auch die Arbeit der Hochbahn-Wache, denn die Hinweise schaffen Klarheit, wenn sie bettelnde Menschen verstärkt anspricht und auffordert, die Fahrzeuge und Haltestellen zu verlassen“, heißt es im Hochbahn-Blog.

Wer erwischt wird, muss mit einer sogenannten Vertragsstrafe von 40 Euro rechnen. 2022 wurden im Bereich der Hochbahn 650 Strafen wegen Bettelns verhängt, im Jahr darauf 1.337, im laufenden Jahr bis zum 16. Mai 861. Seit April gingen die Zahlen mit dem Anlaufen der neuen Kampagne deutlich zurück.

Die Hochbahn begründet ihr Vorgehen damit, dass sie zunehmend Kundenbeschwerden bekommen haben. „Es gab Forderungen von Fahrgästen, aktiver zu werden“, sagt Hochbahnsprecher Christoph Kreien­baum. Der Blog dokumentiert das mit zwei Tweets – allerdings aus dem Jahr 2022. Darin ist die Rede von einem aggressiven Mann, der die Fahrgäste bedrängt und ihnen Angst gemacht habe.

Immer mehr Beschwerden von Fahrgästen

Aus Sicht der Hochbahn ist wichtig, dass sich ihre Fahrgäste wohlfühlen, gerade in den Abendstunden. Die Beförderungsbedingungen seien ja auch ein Service-Versprechen, sagt Hochbahnsprecher Kreien­baum. „Was bringt eine Richtlinie, die nicht angewandt wird?“, fragt er. Selbstverständlich werde die Hochbahnwache mit Augenmaß handeln.

Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn, äußert Verständnis für den verschärften Kurs der Hochbahn. „Sie können es erleben, dass Sie auf einer 20-minütigen U-Bahn-Fahrt dreimal angebettelt werden“, sagt er. Das könnte manchmal auch bedrohlich wirken. Dabei komme nicht darauf an, ob dieses Gefühl berechtigt sei, sondern darauf, dass die Menschen gerne den öffentlichen Nahverkehr benutzten. „Es nützt gar nichts, einen Fünf-Minuten-Takt in Hamburg einzuführen, wenn die Leute Angst haben, die Bahn zu benutzen“, findet Naumann.

„Wie groß ist das Problem wirklich, wenn Menschen durch einen Waggon gehen, einen Vortrag halten und einen Becher hinhalten?“, fragt dagegen Jörn Sturm, Geschäftsführer der Obdachlosenzeitung Hinz&Kunzt. „Das Betteln gehört zum Leben“, sagt er. Insbesondere Großstadtbewohner müssten das aushalten. Das gelte allerdings nicht für aggressives Betteln. Hinz&Kunzt versucht, als Straßenmagazin auf die Probleme Obdachloser aufmerksam zu machen und ihnen durch den Verkauf der Zeitung in ein stabiles Leben zurückzuhelfen.

Gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte plant Hinz&Kunzt eine Kampagne gegen die Vertreibung Obdachloser aus dem öffentlichen Raum. Als gemeinnütziger Verein hat es sich die Gesellschaft für Freiheitsrechte zur Aufgabe gemacht, die Grund- und Menschenrechte mit juristischen Mitteln zu verteidigen. Dabei nutzt sie „strategische Gerichtsverfahren und juristische Interventionen, um Demokratie und Zivilgesellschaft zu fördern, Überwachung und digitale Durchleuchtung zu begrenzen und für alle Menschen gleiche Rechte und soziale Teilhabe durchzusetzen“.

Bei der Kampagne, die kommenden Mittwoch vorgestellt werden soll, argumentieren Hinz&Kunzt und die Gesellschaft für Freiheitsrechte grob gesprochen damit, dass friedliches Betteln auf öffentlichen Straßen und Plätzen grundsätzlich erlaubt sei. Das müsse auch für Orte gelten, die dem öffentlichen Raum gleichzusetzen seien. Privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen in öffentlicher Hand dürften daher das Betteln nicht verbieten. Der Hochbahn wären damit die Hände gebunden.

Obdachlosenprojekte als Ausgleich

Einen Konsens scheint es darüber zu geben, dass sich die Gesellschaft um Randgruppen wie Obdachlose und Bettler kümmern müsse – nur wo? Es gelte, Räume zu schaffen, „für die, die es nicht so gut haben“, sagt Karl-Peter Naumann von Pro Bahn, nur eben nicht ausgerechnet da, wo Menschen zum Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel motiviert werden sollen.

Die Hochbahn verweist darauf, dass sie sich in verschiedenen Projekten für Obdachlose engagiere. Dazu gehörten ein Duschbus und der Wärmebus, mit dem die Hochbahn-Azubis warme Sachen sammeln. Außerdem appelliert der Hochbahn-Blog: „Bitte begegnet Menschen in prekären Lebenssituationen immer mit Respekt und Freundlichkeit.“

Olga Fritsche, sozialpolitische Sprecherin der Linken in der Bürgerschaft, kann nachvollziehen, dass sich Fahrgäste manchmal unwohl fühlen. Würde das Betteln verboten, müssten aber andere Hilfsangebote geschaffen werden.

Sie erinnert daran, dass es eine Gruppe von Obdachlosen besonders schwer habe: die Menschen ohne Papiere oder solche, die von Abschiebung bedroht seien und daher nicht auffallen dürfen. „Mir machen die Leute Sorgen, die man nicht sieht“, sagt Fritsche. Denn wer unter dem Radar bleiben müsse, sei auch für Hilfsangebote nicht erreichbar.

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