piwik no script img

Globaler Klimastreik ohne DeutschlandBewegung lanciert EU-Wahlkampf

Fridays for Future hat die Europawahlkampagne gestartet – anstatt am globalen Klimastreik teilzunehmen. Eine BIPoC-Klimagruppe demonstrierte trotzdem.

Fridays For Future mi ihrer Botschaft zur Europawahl: „Unsere Welt brennt, nutzt eure Stimme“ Foto: Markus Schreiber AP

berlin taz | Es ist eine überschaubare Aktion an diesem verregneten Freitagmorgen in Berlin: Fridays for Future (FFF) hat die Marschallbrücke in Berlin mit dem Schriftzug „Our world is on fire use your voice“ („Unsere Welt brennt, nutzt eure Stimme“) bemalt. Mit der Aktion will die Bewegung auf die kommende EU-Wahl hinweisen. Damit die Buchstaben im Regen nicht verschwimmen, wischen einige Ak­ti­vis­t:in­nen eifrig mit Besen die Kanten der großen Lettern gerade. Die anderen der etwa 30 anwesenden Ak­ti­vis­t:in­nen tanzen euphorisch zu „Hurra die Welt geht unter“ von K.I.Z.

„Wir starten mit dieser Mobilisierung auch in eine Zeit rein, in der wir massivst für den Schutz von Demokratie und die Verteidigung von Lebensgrundlagen kämpfen werden. Und genau das ist auf der heute auf der Brücke zu lesen“, sagte Klimaaktivistin Luisa Neubauer bei der Pressekonferenz im Anschluss der Aktion.

Für FFF war es der Start ihrer Kampagne für die Europawahl im Juni, die die Bewegung als „Klimawahl“ bezeichnet. Die Aktion sei ein Aufruf an die Menschen, ihre Stimme zu nutzen. „Das ist keine normale Pressekonferenz, sondern eine Intervention“, so Neubauer. Denn die Demokratie in Europa sei genauso in Gefahr wie das Klima, hieß es.

Mit Regenschirmen trotzten Neubauer und die Fachleute aus den Bereichen Klima- und Demokratieforschung dem stürmischen Wetter bei der Pressekonferenz – auch auf der Marschallbrücke, unter freiem Himmel. Der Physiker Anders Levermann warnte vor den verheerenden Folgen des Klimawandels und wandte sich an die Leugner:innen: „Dann benutzt aber bitte auch keine Handys oder Computer. Die basieren nämlich auf der gleichen Physik wie die Klimaerwärmung.“

War nicht globaler Klimastreik?

Für Scientists for Future war die Ökonomin Claudia Kemfert vor Ort. Sie kritisierte die Politik, zu wenig Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Der Demokratieforscher Matthias Quent warnte vor einem Rechtsruck bei der anstehenden EU-Wahl, der eine wirksame Klimapolitik verhindern könnte.

Am globalen Klimastreik beteiligte sich die deutsche FFF-Sektion allerdings nicht. Beim letzten internationalen Klimastreik gingen in Deutschland 250.000 Menschen für das Klima auf die Straße. „Wir haben uns heute ganz bewusst entschieden, eben keine Massen zu mobilisieren, sondern der Wissenschaft eine Bühne zu geben – in einer Zeit, in der wir erstmals wieder vor Klimaleugnung warnen müssen“, sagte Neubauer zur versammelten Presse.

Im Gespräch gab sie sich gelassen: FFF Deutschland wolle sich jetzt auf die Europawahl fokussieren, und drei Mal mobilisieren wäre zu viel gewesen. Denn schon am 1. März gab es eine bundesweite Demonstration zusammen mit den Gewerkschaften des ÖPNVs, und am 31. Mai steht der deutschlandweite Klimastreik zur Europawahl an.

BIPoC for Future kritisiert FFF

Im Hintergrund scheint es aber Spannungen zu geben. FFF Deutschland hatte nach der Terrorattacke der Hamas auf Israel am 7. Oktober schnell das Massaker verurteilt und sein Mitgefühl mit den israelischen Opfern ausgesprochen. Dagegen hatte die internationale Sektion Solidarität mit Palästina bekundet, teils mit scharfer antiisraelischer Rhetorik. Die Zusammenarbeit wurde daraufhin zwischenzeitlich auf Eis gelegt. Neubauer bestritt am Freitag, dass der Verzicht auf die Teilnahme an den globalen Klimastreik mit der Nahost-Frage zusammenhänge.

Doch nach der Bemalungsaktion im Regierungsviertel, ruft ein Aktivist zu seiner Gruppe: „Lass mal zum Invalidenpark gehen!“ Dort versammelte sich eine Gruppierung, die den Sonderweg von FFF Deutschland nicht mitgehen will: BIPoC for Future; gemeint sind Schwarze, Indigene und ­People of Color. Um 13 Uhr versammelten sie sich bei anhaltend starken Regen unter einem Baum etwa 50 Personen. Gleichzeitig organisierter der Hamburger Ableger ebenfalls eine Demo in der Hansestadt.

Der Zusammenschluss existiert seit 2021, gegründet als Reaktion auf „rassistische Strukturvorfälle“ in der Bewegung. Die Bewegung versteht sich zwar als Teil von FFF, werde aber von der Mutterorganisation „ignoriert“. Echter Aktivismus für Klimagerechtigkeit sei „antikapitalistisch, antikolonial und antirassistisch“, hieß es im Aufruf zum Umzug.

„Man wird in eine Ecke geschoben“

Vor dem Umzug hält ein Aktivist eine Rede, in der er den Zusammenhang von Klimagerechtigkeit und anderen Problemen wie Rassismus und Neokolonialismus betont und für die Auflösung aller nationalen Grenzen plädiert. Und dann, bevor die Demo los läuft singen die Teilnehmenden „Alles wird gut“ von Felix Kummer – und tanzen im Regen weiter.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Das derzeitige Sauwetter allerorten führt die Klimaideologie an ihre Grenzen. Ganz so einfach scheint es nicht zu sein.

    • @Nairam:

      Das derzeitige, für April eher durchschnittliche Wetter zeigt nur eins - unsere Flora ist nicht darauf ausgelegt, nach rekordwarmem Februar und März und entsprechend frühem Austrieb, den aktuellen kalten Temperaturen mit Frost und Schnee zu trotzen.

      Klimakrise heißt nicht "es wird einfach gemütlich ein bisschen wärmer" sondern "Extremwetter bedroht unsere Existenz".

      Die radikale Ideologie heisst "wir wissen es besser, aber wir machen ungerührt weiter, scheiß auf ein menschenfreundliches Klima"